Die extreme Kälte ist die erste Nagelprobe für den deutschen Atomausstieg. Bisher ist die Versorgung hierzulande sicher.

Stuttgart - Dieter hat die unkenden Bosse der deutschen Energiekonzerne und den französischen Industrieminister Eric Besson vorerst eines Besseren belehrt. Noch im November hatte Besson gen Westen gekeilt und behauptet, das deutsche Atom-Aus gefährde die Stromsicherheit in Frankreich. Nun, da uns das Hoch Dieter eisige Temperaturen beschert, exportiert Deutschland aber wie alle Jahre wieder Strom ins energiehungrige Frankreich, das wie üblich im Winter unter dem hohen Verbrauch der zahlreichen Elektroheizungen ächzt. Am Mittwoch etwa haben die Franzosen doppelt so viel Strom verbraucht wie die Deutschen, von denen es immerhin über 15 Millionen mehr gibt. Im Sommer übrigens ist dies meist andersherum. Und ein Blick auf die Internetkarte der europäischen Übertragungsnetzbetreiber zeigt, dass auch Tschechien, Polen, Österreich und die Schweiz in diesen Tagen immer wieder Strom aus Deutschland beziehen.

 

Trotz der Abschaltung von mittlerweile acht Atommeilern erweist sich die deutsche Energieversorgung auch in einer schwierigeren Situation wie dem aktuellen Frost als sicher. „Die Energiewende hat den ersten Härtetest bestanden“, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) dieser Tage denn auch. Nicht zuletzt Wind und Sonne haben offenbar dabei geholfen, dass in Deutschland Strommengen übrig sind, die nach Frankreich exportiert werden können. Eng kann es allerdings werden, so warnen Experten, wenn in Deutschland der Wind abnehmen und Wolken aufziehen würden. In den letzten Tagen aber hat beispielsweise die Solarstromproduktion bereits zwischen 3600 (am Dienstag und Donnerstag) und 10 000 Megawatt (am Montag) geschwankt, ohne dass es zu Ausfällen gekommen wäre – die Produktion aus Windenergie entwickelte sich in etwa gegengleich zur Sonne.

Dass seit Mittwoch in Deutschland ein und in Österreich zwei Kraftwerke der sogenannten Kaltreserve im Betrieb sind, spricht übrigens nicht gegen die Sicherheit der hiesigen Stromversorgung. Die Reserve ist schließlich dazu da, Engpässe abzufedern. Die deutschen Übertragungsnetzbetreiber haben das Anfahren des zusätzlichen, steinkohlebefeuerten Blocks im Großkraftwerk Mannheim angefordert, weil das EnBW-Gaskraftwerk in Karlsruhe derzeit nicht ausreichend mit Erdgas versorgt wird. Die Verträge, die die EnBW mit ihrem Gaslieferanten hat, lassen eine solche Lieferunterbrechung zu. Notwendig wurde sie, weil Russland zurzeit weniger Gas liefert als üblich und zugleich die deutsche Nachfrage wegen des Frosts gestiegen ist.

Ähnliche unterbrechbare Lieferverträge haben übrigens – teilweise seit Jahrzehnten – auch viele Industriebetriebe, die entsprechend vorbereitet sind und wie etwa der Ulmer Kupferverarbeiter Wieland auf eigene Butangasvorräte ausweichen können. „Das ist aus unserer Sicht nicht ungewöhnlich“, heißt es in Ulm. Nur in wenigen Gemeinden – etwa im Schwarzwaldörtchen Schramberg – hat der Versorger sogar die Privatkunden zum Gassparen aufgefordert. Das allerdings löst in der Branche eher Verwunderung aus. Die Lage sei, so ein Sprecher der Gasversorgung Süddeutschland Netz, „angespannt, aber stabil“ – will sagen: Es ist so viel Gas verfügbar, dass die Nachfrage befriedigt werden kann. Und auch eine Perspektive gibt es: Von Dienstag an soll es wärmer werden.