Das novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gilt seit August. Es bringt viele Firmen im Land an den Rand der Zahlungsfähigkeit. Betroffen ist auch der öffentliche Nahverkehr, etwa die Stuttgarter Straßenbahnen. Aber auch in der Industrie gibt es Problemfälle.

Berlin - Mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll der Umbau der deutschen Energielandschaft transparenter, unbürokratischer, billiger und effizienter ablaufen. Und das, versprach Sigmar Gabriel (SPD) als Minister für Wirtschaft und Energie, ohne die Industrie und Schienenbahnen zu sehr zu belasten. Schließlich will Berlin die Firmen nicht ins Ausland treiben und die Bahnen im Wettbewerb mit anderen Verkehrsträgern nicht abhängen.

 

Man darf davon ausgehen, dass Gabriel die Schönbuchbahn nicht kennt. Dennoch hat der Bundesminister der kleinen Nebenbahn, die mit Dieselzügen die Strecke von Böblingen nach Dettenhausen im Kreis Tübingen bedient, wohl einen großen Gefallen getan. Ihre Chancen auf die geplante Elektrifizierung sind mit der Reform gestiegen: Führe die Schönbuchbahn künftig mit Strom statt Diesel, könnte sich die Betreiberin, die Württembergische Eisenbahngesellschaft (WEG), über einen erheblichen Rabatt auf die EEG-Umlage freuen. Bisher galt dieser nur für Bahnen mit einem Stromverbrauch von mehr als zehn Gigawattstunden im Jahr, künftig sinkt die Schwelle auf zwei Gigawattstunden. Die Schönbuchbahn läge wohl darüber. „Diesen positiven Effekt nehmen wir gerne mit“, sagt der WEG-Geschäftsführer Horst Windeisen.

Für die Stuttgarter Straßenbahn wird’s teuer

Für viele Unternehmen dagegen ist der Effekt negativ. Bei den Schienenbahnen ist die Eintrittsschwelle für einen Rabatt deutlich gesunken, dafür aber müssen sie statt bisher 0,05 Cent pro Kilowattstunde künftig 20 Prozent der geltenden EEG-Umlage bezahlen. Zurzeit wären das rund 1,25 Cent pro Kilowattstunde – also das Fünfundzwanzigfache. Im Verkehrsverbund Stuttgart (VVS) beispielsweise sollen die Ticketpreise im kommenden Jahr um rund 2,9 Prozent steigen. Einer der großen Preistreiber ist dabei die höhere Belastung durch die EEG-Umlage. Allein die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) beziffert die Zusatzbelastung auf eine Million Euro pro Jahr.Für Ulrich Weber, den Leiter der Stabsstelle Fördermittel bei der SSB, tangiert die Reform Grundpfeiler der Umweltpolitik: „Es geht um die Konkurrenzfähigkeit des elektrischen Schienenverkehrs gegenüber der Straße.“ Der Bund gebe 1,5 Milliarden Euro aus, um die E-Mobilität auf der Straße voranzubringen und mute dem Nahverkehr nun so etwas zu. „Das passt nicht zusammen“, findet Weber. Zumal die SSB ihren Energiebedarf komplett aus erneuerbaren Energien deckten.

Schienenbahnen trifft es bei der Reform besonders: Für sie gilt keine Härtefall- oder Übergangsregelung, anders als bei Unternehmen des produzierenden Gewerbes, die bisher von der EEG-Umlage befreit waren und künftig stärker zur Kasse gebeten werden. Im Südwesten hat das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle im laufenden Jahr 292 Betrieben einen Rabatt bei der EEG-Umlage eingeräumt. 35 von ihnen sind künftig nicht mehr unter den begünstigten Wirtschaftszweigen – die meisten davon aus dem Bereich 2561 „Oberflächenveredelung und Wärmebehandlung“.

Ein Maschinenbauer fürchtet um seinen Gewinn

Wie willkürlich die Liste allerdings zusammengestrichen ist, zeigt sich etwa am Wirtschaftszweig mit der offiziellen Statistiknummer 2550, in den sowohl Stanzbetriebe mit einem relativ niedrigen Energiekostenanteil als auch Schmiedebetriebe mit sehr hohen Stromkosten fallen. Beide sind künftig nicht mehr privilegiert. Ein Lied davon singen kann etwa das Hammerwerk Fridingen, unweit von Tuttlingen. 30 bis 40 Gigawattstunden verbraucht der Zulieferer für die Fahrzeugindustrie und den Maschinenbau pro Jahr. Müsste das Hammerwerk dafür die volle EEG-Umlage zahlen, kämen 2,5 Millionen Euro zusammen, rechnet Geschäftsführer Holger Müller vor und stellt nüchtern fest: „Das würde unseren Gewinn komplett auffressen.“

Da das Unternehmen, das im oberen Donautal 440 Menschen beschäftigt, in der letzten Genehmigungsrunde „das Glück“ hatte, knapp über die Bemessungsgrenze gekommen zu sein, fällt es nun wenigstens unter die Härtefallregelung. Statt der etwa 250 000 Euro, die das Hammerwerk in diesem Jahr an reduzierter EEG-Umlage entrichten muss, werden es ab kommendem Jahr 500 000 sein. „Damit können wir gerade noch leben“, sagt Müller.Sollte die Belastung aber weiter steigen, müsse man sich überlegen, ob künftige Investitionen nicht in erster Linie im tschechischen Tochterwerk getätigt werden. Der Wirtschaftszweig Gießereien – Konkurrent von Schmieden wie dem Hammerwerk und ähnlich energieintensiv – gehöre übrigens weiter zu den Privilegierten, sagt Müller: „Das ist völlig willkürlich.“

Führt das EEG zum Abbau von Jobs?

Für dramatischer hält Michael Stolze, Energiemanager bei Bodycote Deutschland, die Lage. 19 Standorte hat  der britische Spezialist für Oberflächenveredelung hierzulande, vier in   Baden-Württemberg. Auftraggeber sind in erster Linie Firmen aus Maschinenbau und Autoindustrie. Die restlichen gut 170 Standorte sind in der ganzen Welt verteilt. Überall dort gebe es keine EEG-Umlage. Mit der jetzigen Novelle werde die Ökostromförderung zu einem echten Standortnachteil für international agierende Konzerne in Deutschland, zeigt sich Stolze besorgt.

Eine konkrete Gefährdung von Arbeitsplätzen befürchtet Johannes Dörfer, Produktionsleiter der CD/DVD-Presserei Digicon in Kornwestheim (Kreis Ludwigsburg). Der Betrieb beschäftigt 95 Mitarbeiter und verbraucht jährlich – auftrags- und wetterabhängig – rund vier bis fünf Gigawattstunden Strom, um Kunststoffgranulat zu schmelzen, UV-Trocknungsanlagen zu betreiben und die Produktionshalle herunterzukühlen.

Für 2014 stellte Digicon erstmals einen Antrag auf Rabatt bei der Umlage. 100 000 Euro habe Digicon so gespart. „Wenn das wegfällt, wird das Arbeitsplätze kosten“, sagt Dörfer. In Zeiten steigender Kunststoffpreise und sinkender CD-Preise könne man Kostenanstiege „irgendwann nicht mehr anders abfedern“. Dass die EU in Rabatten bei der EEG-Umlage für energieintensive Betriebe eine Beihilfe sehe, leuchtet ihm noch ein. Sein Betrieb stehe durchaus im internationalen Wettbewerb vor allem mit Billiglohnländern wie der Ukraine oder Rumänien, sagt Dörfer. Allerdings: „Außerhalb Deutschlands zahlt die Konkurrenz ja gar keine EEG-Umlage.“