Strom wird teurer: Die Umlage zur Ökostromförderung steigt im kommenden Jahr erneut. Experten fordern grundlegende Reformen.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Berlin - Die Ökostromproduktion wächst schneller als von der Bundesregierung erwartet. Über den Erwartungen liegen aber auch die Kosten. Das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel, der Aufschlag zur Förderung grünen Stroms werde die gegenwärtige Größenordnung nicht übersteigen, ist nicht zu halten. Aktuell zahlen Stromkunden im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) eine Umlage von rund 3,59 Cent je Kilowattstunde (kWh). Dieses Geld wird verwendet, um die Produktion von Ökostrom mit festen Einspeisevergütungen zu unterstützen.

 

Im kommenden Jahr wird die Umlage nach Informationen aus Regierungskreisen auf 5,27 Cent je kWh steigen. Offiziell wird die Zahl am Montag bekannt gegeben. Verantwortlich für den Anstieg, der einen Durchschnittshaushalt im Jahr 50 bis 60 Euro kosten wird, ist zu einem erheblichen Teil der massive Neubau von Solarkraftwerken in diesem Jahr. Um der erneuten Kürzung der Vergütungen im Mai zuvorzukommen, wurde vorher noch kräftig in Fotovoltaikanlagen investiert.

Die aktuelle Erhöhung der EEG-Umlage dürfte nicht die letzte sein. So schätzt Matthias Gohl, Energieexperte beim Beratungsunternehmen McKinsey, dass der Aufschlag auf den Strompreis bis 2020 auf mindestens 7,5 Cent je kWh steigt, wenn sich die Rahmenbedingungen nicht ändern. Ein durchschnittlicher Haushalt würde dann die Ökostromproduktion mit gut 260 Euro im Jahr unterstützen – zuzüglich Mehrwertsteuer.

Je höher der Ökostromanteil, desto größer die Kostendifferenz

Marc Oliver Bettzüge, Direktor des Energiewirtschaftlichen Instituts der Universität Köln, will sich nicht auf eine konkrete Zahl festlegen. „Das hängt von politischen Entscheidungen ab – insbesondere im Bereich des EEG“, sagt der Ökonom. Doch eine überschlägige Rechnung könne jeder selbst vornehmen. Im Durchschnitt aller erneuerbaren Stromquellen liege die Einspeisevergütung aktuell bei rund 15 Cent pro kWh, der an der Strombörse erzielbare Verkaufserlös dagegen zwischen vier und fünf Cent. „Das ergibt derzeit einen Zuschussbedarf von mehr als zehn Cent pro Kilowattstunde“, erläutert Bettzüge. Je höher der Ökostromanteil steige, desto stärker schlage sich diese Kostendifferenz in der EEG-Umlage nieder. Daher werde bei unveränderten Fördersätzen der Aufschlag weiter in Richtung zehn Cent steigen. Aktuell liegt der Anteil des grünen Stroms bei rund einem Viertel.

Dass die Kosten der Ökostromförderung stärker als gedacht steigen, hängt auch mit einem selbst für Experten schwer nachvollziehbaren Detail des EEG zusammen: Wenn in Spitzenverbrauchszeiten kräftig die Sonne scheint und der Wind weht, drückt das steigende Angebot an grünem Strom die Preise an der Strombörse – wovon Endkunden allerdings wenig spüren. Dadurch vergrößert sich die Differenz zwischen dem Verkaufserlös pro kWh und den garantierten Vergütungen, was den Zuschussbedarf noch vergrößert. Weitere Belastungen entstehen durch die immer zahlreicheren Ausnahmeregelungen für energieintensive Firmen. Müssten alle gemäß ihres Verbrauchs zahlen, wäre die Umlage rund einen Cent pro kWh niedriger. Zudem verursachen nicht nur die EEG-Zahlungen Kosten, sondern auch der im Zuge der Energiewende nötige Ausbau von Netzen und Stromspeichern sowie die Bereithaltung von Reservekraftwerken. Die Ausgaben dafür dürften ebenfalls bei den Verbrauchern landen.

Selbst für den unwahrscheinlichen Fall, dass von heute an die komplette EEG-Förderung eingestellt würde, beliefen sich die Kosten aus den bereits eingegangenen Förderverpflichtungen auf rund 120 Milliarden Euro, schätzt Gohl. Denn die Anlagenbetreiber erhalten 20 Jahre lang den gesetzlich garantierten Preis.

Der größte Teil der Förderung fließt in die Technik

Von einer EEG-Reform wären also nur neue Anlagen betroffen. Doch wie könnte diese aussehen? Energieexperte Bettzüge schlägt statt fixer Einspeisevergütungen zunächst beispielsweise einen Bonus für jede Kilowattstunde Ökostrom vor, der auf den Großhandelspreis aufgeschlagen würde. Dieser Zuschlag müsse „technologieneutral“ sein – also für alle Arten der regenerativen Stromerzeugung gleich. Das würde dazu führen, dass sich die wirtschaftlichste Technik durchsetzt. Aktuell fließt ein überproportionaler Teil der Förderung in die Fotovoltaik, die in diesem Jahr rund ein Fünftel des Ökostroms liefert, in die aber 56 Prozent der EEG-Umlage fließen. Auch McKinsey-Experte Gohl plädiert dafür, den weiteren Ausbau auf die kostengünstigsten Ökostromquellen zu konzentrieren – etwa auf Windkraftanlagen an Land. Beobachter erwarten allerdings vor der Bundestagswahl im kommenden Jahr keine größere Änderung des EEG mehr.

Vertreter der Ökostrombranche parieren die Kritik an den Kosten der Energiewende mit dem Verweis auf die Beihilfen für die konventionelle Stromproduktion. Laut einer von der Umweltorganisation Greenpeace und dem Bundesverband Windenergie vorgelegten Studie wurde die Steinkohle-Verstromung zwischen 1970 und 2012 mit 177 Milliarden Euro gefördert, Braunkohle mit 65 Milliarden und die Atomstromproduktion mit 187 Milliarden Euro. Die Erzeugung von Ökostrom sei hingegen bis heute mit knapp 54 Milliarden Euro unterstützt worden. Längerfristig könnte Strom aus Wind oder Sonne nach einer Studie des Umweltbundesamtes sogar billiger werden als jener aus fossilen Kraftwerken, weil seine Produktion keine Brennstoffe erfordert. An der aktuellen Strompreisdiskussion dürfte dies wenig ändern.