Eine Backshow namens „The Great British Bake Off“ bricht alle Quotenrekorde in diesem Jahr. Star der Sendung ist die Muslima Nadiya Jamir. Kritiker wundern sich über den hohen Anteil dunkelhäutiger Kandidaten.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Sie ist der neue Liebling Großbritanniens, Millionen im Königreich haben sie ins Herz geschlossen. Kaum ein Auge blieb trocken, als Nadiya Jamir Hussain diese Woche zur Königin britischer Amateur-Backkunst gekürt wurde. Mehr als 14 Millionen Briten und Britinnen verfolgten die Krönung der 30-jährigen Mutter dreier Kinder im Fernsehen: Keine andere Sendung hat solch Einschaltquoten gehabt dieses Jahr.

 

Im Grunde ist „Queen Nadiya“ ein unwahrscheinlicher Star am Entertainment-Himmel der Insel. Hussain ist Muslima mit Wurzeln in Bangladesch. Sie ist von kleiner Statur und schüchtern. Und sie trägt den Hidschab. „Ich war ja zuerst ein bisschen nervös, dass die Leute nur eine Muslima im Kopftuch sehen und sich fragen würden, ob ich überhaupt was vom Backen verstehe“, gesteht sie rückblickend. „Aber dass ich nicht gerade das Stereotyp einer Britin bin, bedeutet ja nicht, dass mir Kuchen, Tee und festliche Wimpelketten gleichgültig wären. Ich bin genauso britisch wie jeder andere. Das habe ich hoffentlich beweisen können.“

Sie besticht durch ihre ungespielte Nervosität

Es ist nicht alles, was sie bewiesen hat. Dass sie jetzt den „The Great British Bake Off“, den nationalen Amateur-Back-Wettstreit im BBC-Fernsehen gewann, verdankte sie zuerst einmal ihrem leckeren Gebäck. Beim Publikum aber gewann sie zugleich durch ihr fröhliches, unbefangenes Wesen, ihre lustige Mimik, ihre lebhaften Augen, ihre ungespielte Nervosität und Bescheidenheit, ihren typisch britischen, trockenen, sich selbst belächelnden Humor.

Von Woche zu Woche buk sie sich, mit immer neuen Ideen, an die Spitze der ursprünglich zwölf Kandidaten des Wettstreits, und gewann gleichzeitig die Sympathien einer wachsenden Fernseh-Gemeinde. Zehntausende Twitter-Fans verfolgten ihren Siegeszug. In den Schulen des Landes formierten sich „Fans für Nadiya“. Schon im September machten die Wettbüros sie zur Favoritin der Show. Selbst Premierminister David Cameron erwies sich als heimlicher Bewunderer. Mit einem Mal redete alles über „Bake Off“. Ausgerechnet ein Programm über süßes Gebäck, staunten die Fernsehkritiker, habe sich zur populärsten Sendung auf der Insel entwickelt.

Finale im herrschaftlichen Anwesen

Bevor „The Great British Bake Off“ im Jahr 2009 an den Start ging, hatten seine Erfinder immerhin vier Jahre lang vergebens versucht, ihre Idee den Fernsehgewaltigen zu verkaufen. Seither aber, seit der ersten Ausstrahlung, haben sich immer mehr Zuschauer (und auch unerwartet viele männliche Fans der Serie) gefunden. Das Ganze läuft als jährlicher Block von zehn wöchentlichen Programmen. Neun Wochen lang scheidet je ein Kandidat aus. Zuletzt treten die verblieben drei Finalisten gegeneinander an. Gefilmt wird der „Bake Off“ im Sommer in einem speziellen Festzelt im Garten eines herrschaftlichen Anwesens in England.

Inspiriert wurde die Serie von traditionellen englischen Dorffesten, auf denen Landfrauen ihren gut gelaunten Wettstreit um die besten Kuchen und Torten auszutragen pflegten. In der Tat charakterisiert die Show ein besonders kameradschaftlicher Umgang der Beteiligten miteinander. Sie findet abseits rauer Realitäten, in einer Oase wohlwollender Harmonie und kollektiver Back-Leidenschaft statt: Ideale Voraussetzung für eine Demonstration von Toleranz und Integration. Ein Teil der britischen Rechtspresse findet das schwer zu schlucken – zumal ein zweiter Finalist, der junge Arzt Tamal Ray ebenfalls dunkelhäutig war und sich dazu noch als schwul enthüllte. Sehr typisch für die 12 000 gewiss überwiegend weißen Bewerber und Bewerberinnen zur diesjährigen Serie sei das ja wohl nicht, klagte ein Kolumnist der Daily Mail. Eine Kollegin vom selben Blatt ging noch einen Schritt weiter. Sie befand, eine Kandidatin namens Flora sei wohl nur deshalb nicht ins Finale gekommen, weil sie ein Schokoladen-Karussell gebacken habe. „Mit einer Schokoladen-Moschee hätte sie bessere Chancen gehabt.“

Eine Hochzeitstorte in Sari-Stoff gekleidet

Glücklicherweise entwaffnete Nadiya Hussain solche Einwürfe von Anfang an mit ihrem offenherzigen Wesen – und mit ihrer Kunstfertigkeit. Beim letzten Teil des Wettstreits buk sie ein Wunder von einer Hochzeitstorte, die in Sari-Stoff in den britischen Farben Blau, Weiss und Rot gekleidet war. Das sei ihr wichtig gewesen, erklärte sie, weil es zu ihrer Hochzeit in Bangladesh „keine Hochzeitstorte gegeben“ habe.

Kein Wunder, dass ihr am Ende fast die ganze Nation die Daumen drückte. Nicht nur für das eigene Selbstbewusstsein, auch für das Image der Muslime in Großbritannien hat die junge Frau aus Leeds binnen weniger Wochen ganz schön viel getan.