Die Stuttgarter Band Ursus pflegt ein irrwitziges Image, auch auf ihrer neu erschienenen EP. Doch die Band hat eine ernst gemeinte politische Agenda – und will der Stuttgarter Musikszene mal was sagen.

Digital Desk: Jan Georg Plavec (jgp)

Stuttgart - Wenn eine Band wie Ursus sich in quietschbunte Spandex, wechselnd-grellfarbige Perücken und Jeanswesten kleidet, deutet das zunächst nicht darauf hin, dass eine Band es wirklich ernst meint. Zumal die Songs auf der online bereits verfügbaren EP „Mutter“, die teilweise auch in Karaoke-Versionen mitgeliefert werden, musikalisch stark in Richtung Trash tendieren.

 

Ist aber alles nicht so, sagt uns die Sängerin, deren echter Name uns bekannt ist, die aber gern unter dem Pseudonym Elaine Tourette sprechen will. Ursprünglich sei die Band schon eine Art Gruppentherapie gewesen, „wo wir die Scheiße rauslassen wollten, ohne zu fragen, wie wir dabei aussehen“. Noch heute fehlten in Stuttgart Erwachsenenspielplätze, aber die Band habe sich doch weiterentwickelt – vielleicht nicht äußerlich, aber von der Aussage her: Stichwort Queer.

Mann oder Frau?

Das sei nicht nur Pose, um bei den Menschen aus dem Umfeld der Polywaggons-Partys gut anzukommen, sagt Elaine Tourette. „In Stuttgart wie auch weltweit ist die Musikszene eine Mackerkultur“, sagt Tourette. Patriarchat überall, sogar im Proberaum? Ja schon, befinden die Sängerin, der Schlagzeuger Käpt’n Flex sowie die Gitarristin und Bassistin Jessica Antifa. Sie wollen die Zuschauer zum Nachdenken bringen, zum Beispiel so: „Bei jedem zweiten Konzert schauen mir die Besucher in den Schritt, weil sie nicht erkennen können, ob ich eine Frau bin oder ein Mann“, erzählt Elaine Tourette.


Wenn man sich durch die (via Crowdfunding finanzierte) EP hört, wird schon klar, dass da eine Frau singt. Darunter liegen rumpelnde Beats zwischen stampfendem Punkrock und rumpelndem Synthiebeat, der ein bisschen klingt wie ein leicht defektes Demotape von so unterschiedlichen Künstlern wie Peaches, Drahdiwaberl oder HGich.T. Mit Letzteren standen Ursus vor knapp zwei Jahren auf der Bühne, ein Highlight für das Stuttgarter Trio. Mit solchen Truppen fühle man sich wohl auf der Bühne – mit Punks oft gar nicht mal so. „Die schimpfen sich gern antirassistisch und lassen backstage frauen- oder schwulenfeindliche Sprüche raus“, ärgert sich die Ursus-Sängerin.

Kevin Kuhn saß einst am Schlagzeug

Leicht hat man’s nicht als Band, die für Geschlechtergleichheit kämpft, auch nicht in Stuttgart. Ursus sind hier jedenfalls ein Solitär. Zwar saß irgendwann mal Kevin Kuhn am Schlagzeug (wurde sogar auf Kassette dokumentiert), mit Die Nerven und den anderen Stuttgarter-Schule-Bands hat das Trio aber nicht viel am Hut. Die größte Gemeinsamkeit ist noch das frustrierende Aufwachsen im Stuttgarter Speckgürtel. „Wir sind keine High-End-Hipster-Performer, sondern wir arbeiten uns an unserer provinziellen Herkunft ab. Auf dem Land haben wir uns nicht so wohl gefühlt. Wir waren immer die Freaks“, sagt Elaine Tourette. Von Heimat kann man also auch hier nicht sprechen.

Ihre musikalische Heimat finden Ursus auf Festivals, Konzerten mit politischem Hintergrund, Polywaggons-Feiern und immer noch am Nordbahnhof. Auf die EP hat die Band ihre besten Songs gepackt und 500 Scheiben pressen lassen, in Pink natürlich. Dieses Wochenende findet in Stuttgart die Release-Party statt; wo, muss jeder selbst herausfinden. Das Ziel dafür ist klar: „Am Konzert will ich eher Yps-Niveau“, sagt Elaine Tourette, „aber am Tag danach sollen die Besucher darüber nachdenken, was sie gesehen haben. Wir machen Trash, aber eben nicht Trash-Trash.“

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