Nutzt es nicht auch den Beschäftigten, wenn das Kapital wieder in den Betrieb investiert wird, wie dies in Familienunternehmen oft geschieht?
Schneider Eine generelle Privilegierung reicher Erben lehne ich ab. Die Steuervorteile lassen sich nur rechtfertigen, wenn Arbeitsplätze gesichert werden. Der Vorschlag des Finanzministers sieht vor, dass in den meisten Fällen Betriebsvermögen weiterhin geschont wird. Der Streit dreht sich allein um etwa 280 Erbschaften und Schenkungen, die nach Zahlen des Bundesfinanzministeriums von 2013 über dem Schwellenwert von 20 Millionen Euro lagen. Nur in diesen Fällen soll Privatvermögen künftig herangezogen werden.
Warum kann ein Firmenerbe die Erbschaftsteuer nicht aus Privatvermögen zahlen?
Hennerkes Nach einer Schätzung des Wirtschaftsinstituts IW Köln wären fast 14 000 Familienunternehmen und 7,6 Millionen Arbeitsplätze von der 20-Millionen-Grenze erfasst. Gerade die großen Familienunternehmen prägen unsere Unternehmenslandschaft. Wir haben unter den Familienunternehmen 1300 Weltmarktführer. Bei keinem dieser Unternehmen dürfte der Wert unter 20 Millionen Euro liegen. Die Mittel der Gesellschafter sind in den meisten Fällen auf lange Zeit gebunden. Ich kenne viele Fälle, in denen Unternehmer in Krisenzeiten Geld aus der Privatschatulle entnommen und in den Betrieb gesteckt haben. Das fällt weg, wenn der Fiskus auf das Privatvermögen zugreift. Wenn die Politik hier eingreift, kommen die amerikanischen Heuschrecken. Wie das funktioniert, kennen wir: Die Investoren räumen erst die Firmen leer und zahlen damit den Kaufpreis. Die deutsche Unternehmensstruktur wird sich radikal verändern, wenn die Pläne in der jetzigen Form umgesetzt werden. Das Privatvermögen, das vorher schon einmal versteuert worden ist, sollte auf gar keinen Fall erneut belastet werden. Aus meiner Sicht ist das ein Eingriff, der an Enteignung grenzt.
Die BMW-Eigentümerfamilie Quandt kann nach dem bisherigen Recht Milliardenvermögen übertragen, ohne dass dafür ein Cent Erbschaftsteuer anfällt. Ist nicht verständlich, dass die Politik für eine gerechte Regelung eintritt?
Hennerkes Die Fälle, in denen es um solche Dimensionen geht, sind die Ausnahme. Die meisten Familienunternehmen spielen in einer anderen Liga und sind auf Eigenkapital angewiesen. Der Gesetzgeber kann sich nur für ein Prinzip entscheiden, das für alle gilt. Wir verlangen, dass eine Bedürfnisprüfung erst ab einem Übertragungswert von etwa 100 Millionen Euro einsetzt.
Die CSU lehnt den Zugriff auf das Privatvermögen ab. Damit hat die Koalition ein Problem. Besteht die SPD auf der Einbeziehung des Privatvermögens?
Schneider Nachdem das Verfassungsgericht dem Gesetzgeber das Erbschaftsteuerrecht dreimal um die Ohren gehauen hat, müssen wir bei der Privilegierung von Betriebsvermögen aufpassen. Für die SPD ist es zwingend, dass beim Vererben großer Familienunternehmen das Privatvermögen zur Begleichung der Steuerschuld herangezogen wird. Ein Schwellenwert von 20 Millionen Euro pro Erben bei der Bedürfnisprüfung ist für die SPD-Fraktion die Obergrenze. Die Frage ist, ob der Bundesfinanzminister noch die Unterstützung seiner Partei hat.