Die SPD sieht die Erbschaftsteuerreform als Beitrag zu mehr Gerechtigkeit. Dem widersprechen die Familienunternehmen heftig. Ein Streitgespräch zwischen Carsten Schneider (SPD) und Brun-Hagen Hennerkes, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Familienunternehmen.

Stuttgart - Die Erbschaftsteuerreform ist wirtschaftspolitisch Thema Nummer eins. Der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, und Brun-Hagen Hennerkes, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Familienunternehmen, diskutieren über die Pläne.

 
Die Familienunternehmer beschäftigt zurzeit vor allem ein Thema: die Reform der Erbschaftsteuer. Kennen Sie Familienunternehmen, die wegen der Erbschaftsteuer zugrunde gegangen sind?
Hennerkes Die Frage kann so nicht beantwortet werden. Familienunternehmen, die in Schwierigkeiten geraten, ergreifen Gegenmaßnahmen. Weil es bisher die Verschonungsregeln bei der Erbschaftsteuer gibt, war das Problem lösbar. Das könnte sich bald ändern.
Die Unternehmen werfen dem Bundesfinanzminister vor, dass er die Schrauben fester anzieht, als dies das Verfassungsgericht verlangt. Nehmen Sie die Warnungen ernst?
Schneider Natürlich nehme ich Kritik ernst und spreche auch mit Unternehmern. Allerdings sehe ich nicht, dass Finanzminister Schäuble die Vorgaben der Verfassungsrichter verschärft. Wenn man sich das Sondervotum von mehreren Verfassungsrichtern anschaut, hätte der Entwurf des Finanzministers sogar schärfer ausfallen können. Die Koalition wird dort strengere Regeln beschließen, wo dies vom Verfassungsgericht gefordert worden ist. Das betrifft Umgehungsmöglichkeiten beim Verwaltungsvermögen, die Begrenzung der Bagatellgrenze für Kleinbetriebe und die Bedürfnisprüfung für große Familienunternehmen. Firmenerben werden auch künftig unter bestimmten Bedingungen steuerlich verschont, es muss aber Korrekturen geben.
Hennerkes Einspruch, das Sondervotum der drei von acht Richtern ist nicht Teil des Urteils und in keiner Weise bindend für den Gesetzgeber.
Wer die Klagen zur Erbschaftsteuer hört, gewinnt den Eindruck, Deutschland sei für Erben Hochsteuerland. Tatsächlich sind die Einnahmen aus dieser Steuer mit jährlich fünf Milliarden Euro gering – sie liegen unter dem Aufkommen der Stromsteuer. Warum sind die Unternehmer alarmiert?
Hennerkes Die Einnahmen sind auch deshalb vergleichsweise gering, weil mit dem geltenden Erbschaftsteuerrecht Verschonungsregelungen für Betriebe genutzt werden. Bei der Reform geht es für die Familienunternehmen ums Eingemachte, denn die Erbschaftsteuer ist eine Substanzsteuer. Für Familienunternehmen ist Nachhaltigkeit bei der Nachfolge ein kultureller Wert. Bisher lehnen es die meisten Familienunternehmen ab, den Betrieb an US-Investoren zu verkaufen. Doch die geplante Reform der Erbschaftsteuer trifft die Unternehmen ins Herz. Denn ohne Verschonung des Betriebsvermögens drohen ihnen Steuerbelastungen, die sieben bis acht Jahresgewinne verschlingen werden. Das bringt große Unruhe in die Betriebe.
Bei der letzten Erbschaftsteuerreform 2008 war sich die große Koalition einig, dass Firmenerben vollständig verschont werden können. Gelten Zusagen nicht mehr?
Schneider Das war damals ein Kompromiss. Der SPD ging es nie um die Verschonung von Vermögen, sondern den Erhalt von Arbeitsplätzen. Nur wenn diese Bedingung erfüllt ist, lässt sich die Privilegierung von Betriebsvermögen rechtfertigen. Die bisherigen Regelungen sind zu großzügig, das gilt insbesondere beim Vererben großer Betriebsvermögen. Die Vermögensschere geht in Deutschland weiter auseinander. Im Jahr 1993 hatten 18 Prozent der Privathaushalte 60 Prozent des Nettogeldvermögens, 15 Jahre später war dieses Vermögen nur noch in den Händen von zehn Prozent. Die Erbschaftsteuer ist die einzige vermögensbezogene Steuer, die wir in Deutschland noch haben und die ist sehr niedrig. Das Grundgesetz besagt, dass Eigentum verpflichtet. Finanzminister Schäuble hat dafür einen vernünftigen Vorschlag vorgelegt: Wer Betriebsvermögen von mehr als 20 Millionen Euro erbt, dessen Privatvermögen wird zur Hälfte zur Zahlung der Steuer herangezogen. Das ist ein guter Vorschlag des Finanzministers.
Für die Bürger geht es bei dieser Diskussion auch um Gerechtigkeit. Wer Geld und Immobilien erbt, muss die vollen Steuern zahlen. Betriebsvermögen wird dagegen geschont. Ist es richtig, wenn Erben ohne eigenes Zutun milliardenschwere Betriebe steuerfrei erhalten?
Hennerkes Es stimmt nicht, dass Firmenerben den Betrieb ohne eigenes Zutun übernehmen können. Die Erben sind in der Regel mit dem Betrieb mitgewachsen und setzten sich seit Jahren für ihn ein. Sie tragen Lasten im Unternehmen mit. Die Politik darf auch nicht übersehen, dass Familienunternehmen in ihrer Region große soziale Leistungen erbringen. Das reicht von den Arbeitsplätzen und bis hin zum Sponsoring von Vereinen. Betriebsvermögen lässt sich einfach nicht mit Geld- und Immobilienvermögen vergleichen. Im Übrigen: einige sehr vermögende Menschen haben ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt. Das haben die deutschen Familienunternehmen stets abgelehnt. Sie sind standorttreu und wollen es bleiben. Ich lese das Verfassungsgerichtsurteil völlig anders: Karlsruhe hat klar gesagt, dass der Gesetzgeber das Gemeinwohl berücksichtigen kann, zu dem Familienunternehmen beitragen. Das trifft gerade auf die Großen zu. Leuchttürme wie Kärcher, Stihl oder Trumpf müssen sich weltweit gegen Konkurrenten behaupten, die keine vergleichbare Erbschaftsteuerbelastung wie deutsche Unternehmen tragen müssen.
Schneider Das sehe ich anders. In den USA ist die Erbschaftsteuer viel höher.
Hennerkes Dafür sind die Ertragsteuern niedriger. Doch es geht um mehr als um Steuersätze. Die Familienunternehmen waren zunächst erleichtert, weil die Bundesregierung erklärt hat, sie plane einen minimalinvasiven Eingriff bei der Erbschaftsteuer. Dann kam der Vorschlag von Finanzminister Schäuble. Damit bin ich überhaupt nicht einverstanden.
Gefährdet die Koalition die Leuchttürme im deutschen Mittelstand, um die uns das Ausland beneidet?
Schneider Ich bin froh über jedes Unternehmen, das seit Generationen besteht und von der Familie weitergeführt wird. Ich warne aber auch vor Schönfärberei. Mir fällt auf, dass es in Familienunternehmen oft Streit gibt. Wer leistungslos durch ein Erbe zu Vermögen gelangt, dem ist auch etwas zuzumuten. Wer große Unternehmen vermacht bekommt und über Privatvermögen verfügt, muss bereit sein, die Hälfte des Privatvermögens für die Erbschaftsteuer einzusetzen. Das erwarte ich, wenn sich ein Firmenerbe mit dem Betrieb identifiziert.