Als Blues- und Rockgitarrist prägte er wie kaum ein anderer die Musikwelt. An diesem Montag wird Eric Clapton siebzig Jahre alt.

Kultur: Jan Ulrich Welke (juw)

Stuttgart - Dass Eric Clapton heutzutage den Ruf besitzt, einer der Elder Statesmen der internationalen Rockmusik zu sein, könnte kurz verblüffen.

 

Denn erinnern wir uns ruhig: als uneheliches Kind bei den Großeltern aufgewachsen, die ihn im Glauben ließen, die bei seiner Geburt erst 16-jährige Mutter sei seine Schwester. Abgebrochenes Kunststudium. Jede Menge Zwist in seinen Bands, von denen mehrere auseinanderbrachen. Heroinsucht, die darin kulminierte, dass er 1971 beim „Concert for Bangladesh“ auf der Bühne zusammenbrach. Übelste rassistische Ausbrüche 1976 bei einem Konzert in Birmingham, die (auch angesichts ihrer Wiederholung durch Clapton in einem Musikmagazin) darob in der Gründung der britischen Initiative Musicians against Racism durch andere Musiker mündeten. Hernach schwere Alkoholabhängigkeit. Zwei außereheliche Kinder, nachdem er George Harrison die Frau ausgespannt hatte. Und seltsame Spleens bis heute; 2005 ließ er sich für hunderttausend Dollar von Hermès einen Gitarrenkoffer aus Krokoleder herstellen, zuletzt brüskierte er im Dezember 2014 Tierschützer mit einem bodenlangen silbergrauen Pelzmantel.

Richtig missmutige Zeitgenossen könnten noch bemäkeln, dass der an diesem Montag vor siebzig Jahren in Ripley in der Grafschaft Surrey geborene Eric Patrick Clapton mittlerweile bloßer Lordsiegelbewahrer einer streng dem Mainstream verpflichteten Musiktradition ist, die nur im Klassikrock-Formatradio ihre Heimat findet.

Mal spielt er Gibson Les Paul, dann Fender

Aber damit erfasst man Werk und Wirken des von der britischen Königin 1994 zum Offizier und 2004 zum Komtur des Ritterordens nobilitierten Gitarristen natürlich nicht.

Denn da wäre ja zunächst sein königlicher Umgang mit der elektrischen Gitarre zu nennen, der Regentin im Instrumentarium der Rockmusik. Geha oder Pelikan, Mercedes oder BMW, Fender oder Gibson? Die Qual der Wahl zwischen den Marktführern hat Clapton nie beschwert, auf den Alben und seinen zahlreichen – ihn häufig auch in die Stuttgarter Schleyerhalle führenden – Konzerten spielt er bis heute beide. Die wärmer und druckvoller klingende Gibson Les Paul, den Liebling unter anderem von Jimmy Page und Mark Knopfler, noch zwei so große Gitarristen. Und die schärfer und schneidender klingende Fender, erst die Telecaster, die etwa Bob Dylan und Keith Richards bevorzugen, später die Stratocaster. Sie wurde Clapton zu Ehren 1986 von Fender auch als Signature-Modell herausgebracht und ist die nach Steve Vais Modell Ibanez Jem die zweiterfolgreichste Signaturgitarre aller Zeiten.

Mit Superlativen kann man Eric Clapton ohnehin gut beikommen. Als da zum Beispiel wären, nur kursorisch gestreift: zwanzig Grammys, weit über hundert Millionen verkaufte Alben, gleich drei Aufnahmen in die Rock’n’Roll Hall of Fame oder die Wahl zum zweitbesten Gitarristen aller Zeiten vom Fachblatt „Rolling Stone“. Legendäre Longplayer wie „Disraeli Gears“ von 1967, kommerziell höchst erfolgreiche wie seine „Unplugged“-Scheibe von 1992, von der 16 Millionen Exemplare verkauft wurden. Und natürlich legendäre Hits, von „Layla“ über „Tears in Heaven“ bis zu „Lay down Sally“, nicht zu vergessen seine Adaptionen „After Midnight“, „I shot the Sheriff“ und „Cocaine“.

Im Mai geht er wieder auff Tour

Prägend ist ohnehin der Einfluss, den Eric Clapton auf die zeitgenössische Rock- und Bluesmusik hatte. Erst mit den Yardbirds, dann mit John Mayalls Bluesbreakers, später mit der Supergroup Cream und Blind Faith. Dazu Kollaborationen mit George Harrison („While my Guitar gently weeps“), in der Band Dirty Mac (mit John Lennon, Keith Richards und dem Jimi-Hendrix-Schlagzeuger Mitch Mitchell!), mit Duane Allman, Phil Collins und Chuck Berry, mit Stevie Ray Vaughan, B. B. King und Tom Petty und und und.

Das Spätwerk von Clapton schließlich geriet ihm bis dato zu einer Rückbesinnung auf Zurückgelehntes, er agierte mit einer Art Politik der ruhigen Hand: Mister Slowhand. Seinen Spitznamen verdankt er allerdings mitnichten seinem gelassenen Spiel, sondern einer launigen Begebenheit aus einem Live-Konzert mit den Yardbirds, wie er in seiner Autobiografie verrät. Vor vier Jahren erschien das Album mit dem Jazztrompeter Wynton Marsalis, zwischendurch sein einstweilen letztes „eigenes“ Album „Old Sock“, dessen Titel wiederum auf den Spitznamen anspielt, den ihm David Bowie verpasst hat.

Weitaus eminenter jedoch waren zunächst das Album „The Road to Escondido“, das er als erste Hälfte des Danks mit J. J. Cale eingespielt hat, aus dessen Feder immerhin die zwei Hits „After Midnight“ und „Cocaine“ stammen – und anschließend das vor einem Dreivierteljahr erschienene Album „The Breeze“, ein vorzügliches Tributealbum für den ein Jahr zuvor gestorbenen J. J. Cale.

Aber das war’s vermutlich noch lange nicht. Eine umfassende Werkschau erscheint im Mai, es wird bei diesem nach wie vor sehr umtriebigen Mann gewiss nicht die letzte Veröffentlichung sein. Und seine Ankündigung vom vergangenen Jahr, sich womöglich aus dem Tourneegeschäft zurückziehen zu wollen, hat er bereits selber mit neun ebenfalls für den Mai dieses Jahres angekündigten Konzerten widerlegt.