Spezialermittler erschüttern die italienische Hauptstadt. In Rom hat die Mafia eine politisch bestens vernetzte kriminelle Organisation aufgebaut. Der Präsident des Stadtparlaments ist schon zurückgetreten.

Rom - Mit einem spektakulären Schlag hat die italienische Polizei in der Halbwelt von Rom aufgeräumt. Gegen mehr als hundert Personen wird ermittelt, 37 davon wurden sofort verhaftet, unter ihnen hohe Funktionäre des Öffentlichen Dienstes und der Politik. Nicht der gewöhnlichen Polizei ist der Coup zu verdanken. Die Ermittlungen lagen in den Händen der Antimafia-Einheiten und des Staatsanwalts Giuseppe Pignatone, der weiß, wo er zulangen muss: Bevor man ihn in die Hauptstadt holte, war er in Palermo gegen die Cosa Nostra und in Kalabrien gegen die ’Ndrangheta im Einsatz.

 

Was Pignatones Leute nun aufgedeckt haben, ist ihren Aussagen nach eine spezielle, lokale Mafia. Sie ist in Rom entstanden und nicht aus Sizilien oder Kalabrien importiert. Roms Mafia hat ihre Wurzeln im zerschlagen geglaubten bandenkriminellen und rechtsterroristischen Milieu der 80er Jahre sowie im nie ausgetrockneten rechten politischen Sumpf unter dem früheren Bürgermeister Gianni Alemanno. Dabei ist die Hauptstadtmafia laut den Ermittlern nicht einfach eine Bande von Kriminellen, „sondern ein Scharnier zwischen illegaler und scheinbar legaler Welt.“

Das Abhören der Telefone öffnete die Augen

Die Presse bekam Abhörprotokolle überlassen, in denen der rechtsextreme Hauptverdächtige Massimo Carminati selbst diese Rolle beschreibt: „Die Lebenden sind oben, die Toten unten, wir stehen dazwischen. In dieser Welt treffen sich alle. Die Oberen haben ein Interesse daran, dass ihnen einer von unten Sachen erledigt, die sonst keiner hinkriegt. Bei uns mischt sich alles – und man fragt sich: Verdammt, wie schafft es ein Mensch wie der da, dass er morgen mit Berlusconi zu Abend isst?“

Roms Mafia bestand aus einem Netz von äußerlich unverdächtigen Firmen. Sie kümmerten sich um die Pflege öffentlicher Grünanlagen, um Teile der Müllabfuhr und nicht zuletzt um die Unterbringung von Asylbewerbern und der Roma. „Das bringt mehr Geld als der Drogenhandel“, sagte dazu ein Verdächtiger am Telefon. Für diese schüttete der Staat angesichts der Notlage der immer zahlreicheren Bootsflüchtlinge seine Millionen aus, ohne genau hinzusehen, wo sie endeten und ob die den Betroffenen wirklich zu gute kamen.

Die Kriminellen verdienten an der Hilfe für Asylbewerber

Genauer hingeschaut haben dafür die Mafiafahnder und festgestellt, dass zusammen mit Carminati ein gewisser Salvatore Buzzi nach seinen 24 Haftjahren wegen Mordes ein ganzes Netz an Kooperativen aufgezogen und diesen öffentliche Aufträge zugeschanzt hat, indem er Funktionsträger bestach und bedrohte. So zum Beispiel: „Halt den Mund, oder du wirst keinen Ort finden, an dem du dich vor mir verstecken kannst.“ Der frühere Stabschef des linken Bürgermeisters Walter Veltroni, Luca Odevaine, der zugleich im Krisenrat des Innenministeriums zur Verteilung der Flüchtlinge saß, bekam von Buzzi ein regelmäßiges „Monatsgehalt“ von 5000 Euro.

Das Dreifache soll Franco Panzironi eingestrichen haben, der unter Bürgermeister Alemanno Chef der Müllabfuhr war und jetzt in Untersuchungshaft sitzt. Just unter Alemanno haben die Unternehmen der Hauptstadtmafia ihren Umsatz aufs Fünfzehnfache gesteigert, auf 40 Millionen Euro pro Jahr, und die städtischen Betriebe, von Freunden Alemannos geleitet, haben mehr als 2000 politischen Gefolgsleute des Bürgermeisters einen Job verschafft, ohne Ausschreibung, ohne wirtschaftlichen Sinn, einfach so.

Auch linke Stadträte sind offenbar korrupt

Der Machtwechsel im Frühjahr 2013 schreckte Buzzi und Carminati nicht. „Ich gehe mal durch die städtischen Büros und wünsche allen einen guten Tag, dann werden wir viel Spaß haben”, sagte Buzzi zu Carminati am Telefon. Anscheinend ist ihm auch mit seinen „Pferden“, die er nach eigenen Worten „in den Reihen der Linken laufen hatte“, einiges gelungen.

Denn belastet von den Ermittlungen ist der heutige Präsident des Stadtparlaments, Mirko Coratti, jetzt zurückgetreten. „Den habe ich mir gekauft, der spielt jetzt für mich“, hatte Buzzi am Telefon geprahlt. Der gleichfalls sozialdemokratische Baubürgermeister für den Wohnungsbau ist auch gegangen – vorsichtshalber.

In Italiens Hauptstadt wäscht im Übrigen auch die traditionelle Mafia ihre Millionen aus dem Drogen- und Waffengeschäft. „Die Mafien sind hier Geschäftsbetriebe geworden. In ihnen arbeiten klassische Mafiosi zusammen mit Politikern, Unternehmern und Freiberuflern“, sagte Staatsanwalt Pignatone dieser Tage.