Jünger hat unter schwulen Schriftstellern Verehrer gehabt


Überhaupt: die Jünger'sche Erotik. Aufschlussreich sind hier einige Fotos aus dem Ersten Weltkrieg, die bestätigen, was wir seit Klaus Theweleits Studie "Männerfantasien" über den "soldatischen Mann" wissen: die latente Homosexualität des Kriegers. Eines zeigt eine zechende Männerrunde, ein anderes einen fast nackten Jünger, bekleidet nur mit der Leutnantsmütze und einem um die Lenden geschlungenen Handtuch. Man müsste hier die Akzente nur leicht verschieben - und fertig wäre der schwule SM-Porno.

Kein Zufall deshalb, dass Jünger unter schwulen Schriftstellern immer Verehrer gehabt hat, wie die Briefe an den Autor zeigen, die in Marbach in einem eigenen Raum gezeigt werden. Hubert Fichte, Golo Mann und Julien Green outen sich als Jünger-Verehrer. Es überrascht auch nicht, wenn Jünger in einem Brief an den "Merkur"-Herausgeber Hans Paeschke spottet, verglichen mit dem Marquis des Sade sei alle zeitgenössische Pornografie schwächlich-sentimental. Was dazu wohl der Kardinal Ratzinger sagen würde, der Jünger zum hundertsten Geburtstag ein Buch mit persönlicher Widmung schenkte?

Woher kommt das, was Helmut Lethen an Jünger als "Verhaltenslehre der Kälte" konstatiert hat? Dem Jünger'schen Blick, so zeigt die Schau, weist sich Leben stets schon als totes, als im Kampf, in der Jagd oder im Schreibakt zu erledigende Aufgabe für den "Arbeiter": als "nature morte". Das gilt für seine kühle Beobachtung verwesender Leichen im Krieg ebenso wie für die präparierten Käfer in seinen Sammlungen, die wie seltsam perverse Lustobjekte wirken. Wollte man da nach einem klinischen Begriff suchen, so lautete er: Nekrophilie.

Die Ausstellung wird am 7. November um 14.30 Uhr eröffnet und ist bis 27. März geöffnet. Der zugehörige Katalog umfasst 284 Seiten und kostet 26 Euro.