Lazerette gab es im Ersten Weltkrieg überall – auch in Degerloch. Die Fotografien, die damals in den Zeitungen veröffentlicht worden sind, zeigen allerdings nicht das wahre, blutrünstige Gesicht des brutalen Krieges.

Degerloch - Zeitungsfotos erzählen immer nur einen Teil der Wahrheit. Dies gilt umso mehr in Kriegszeiten. Heute wissen wir, dass die Bilder, noch eindrucksvoller die Filme mit den jubelnd ausziehenden Soldaten im August 1914 bei Weitem nicht repräsentativ waren, dass von einer allgemeinen Kriegsbegeisterung keine Rede sein kann, übrigens auf keiner der beiden Seiten der Front.

 

Die Presse zeigte nicht das wirkliche Gesicht

Schon in den ersten Kriegstagen kamen Soldaten ums Leben, wurden verwundet und verstümmelt. Die Presse zeigte nicht das wirkliche Gesicht des Krieges, keine zerfetzten Leiber, keine abgerissenen Gliedmaßen, keine körperlich und seelisch traumatisierten Wracks.

Aber ganz ließen sich die Toten und Verletzten eben auch nicht verschweigen. So berichteten dann die Zeitungen von ehrenhaften Begräbnissen und der liebevollen Pflege, derer sich Verwundete erfreuen durften.

Wo immer sich einigermaßen geeignete Räumlichkeiten fanden, entstanden ab Kriegsbeginn beinahe über Nacht zahllose Lazarette für die unzähligen Verletzten. Die meisten dieser Notkrankenhäuser standen als sogenannte Vereinslazarette unter der Regie des Roten Kreuzes, aber auch Unternehmen und Privatleute organisierten solche Heime. Teils in speziellen Lazarettzügen, teils in regulären Waggons wurden die Verletzten von den grauenerregenden Verbandsplätzen und Notlazaretten nahe der Front zur besseren Versorgung in die Heimat gebracht.

Naturanstalt Hohenwaldau

Rückblick: Degerloch war im ausgehenden 19. Jahrhundert ein Luftkurort, und so entstanden im noblen Villenviertel auf der Waldau auch drei Sanatorien. Die erste und bedeutendste Einrichtung dieser Art war die „Naturanstalt Hohenwaldau“, im Jahre 1898 vom ehemaligen Oberstabsarzt Dr. Friedrich Katz an der Jahnstraße gegründet. Gleich zu Beginn des Krieges wurde das Heim in ein Lazarett umgewandelt.

Das beruhigend wirkende Foto mit den anscheinend entspannten Patienten erschien erstmals am 18. Dezember 1914 im Schwäbischen Bilderblatt. Leider berichtet die Redaktion nicht die Geschichte, die dahintersteckt; lakonisch heißt es in der Bildunterschrift nur: „Genesende Krieger im Sanatorium Katz (Degerloch)“.

Der Fotograf ist unbekannt

Auch der Fotograf wird – anders als bei manchen anderen ähnlichen abgedruckten Bildern – in der Zeitschrift nicht angegeben. Man wird davon ausgehen können, dass die Lazarettleitung das Bild, womöglich auf Wunsch der Rekonvaleszenten, anfertigen ließ und ohne Fotografennachweis ans Bilderblatt sandte. Das Bild könnte vielleicht auch als Postkarte angefertigt und verschickt worden sein. Über die ganz spezielle Gattung der Lazarettpostkarten des Ersten Weltkrieges hat der Medizinhistoriker Wolfgang U. Eckart jüngst ein Buch mit dem Titel „Die Wunden heilen sehr schön“ vorgelegt. Nach seiner Ansicht vermitteln derartige Bilder „als unzeitige Spuren eines Krieges, den sie nicht wirklich abbilden, ein geschöntes Bild von Barmherzigkeit, aufopfernder Pflege durch zarte Frauenhand, patriotischem Gemeinschaftserleben nach unhinterfragter Kriegsqual, nach Verwundung, Verstümmelung und Rekonvaleszenz“.