An diesem Donnerstag erlebt die vom Autor Robert Seethaler erarbeitete Bühnenfassung seines Erfolgsromans „Der Trafikant“ ihre Uraufführung an der Württembergischen Landesbühne. Die Regie führt Hans-Ulrich Becker.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Die Wahrheit spielt eine geringere Rolle, als man denkt.“ Der mehrfach preisgekrönte österreichische Autor Robert Seethaler lässt in seinem 2012 erschienenen Roman „Der Trafikant“ den Psychoanalytiker Sigmund Freud diesen Satz zu seinem jugendlichen Freund Franz Huchel sagen. Das Zitat ziert auch die Postkarte, mit der die Württembergische Landesbühne Esslingen (WLB) auf eine außergewöhnliche Premiere aufmerksam macht: Denn extra für die WLB – das darf durchaus als Coup des Intendanten Friedrich Schirmer gewertet werden – hat Seethaler eine Bühnenfassung seines Romas geschrieben. Diese erlebt am Donnerstag, 20. Oktober, um 19.30 Uhr ihre Uraufführung im Esslinger Schauspielhaus.

 

Franz Huchel (Felix Jeiter) ist die Hauptfigur in Seethalers Werk. Als 17-Jähriger wird er 1937 aus dem beschaulichen oberösterreichischen Nußdorf am Attersee nach Wien gespült. Dort gibt ihm sein Onkel (Martin Theuer) eine Beschäftigung in seiner Trafik für Tabakwaren und Zeitungen. Zu den Kunden zählt auch der – so Franz – „Deppendoktor“ Sigmund Freud (Peter Kaghanovitch). Robert Seethaler erzählt in seinem Roman vom Erwachsenwerden in der Zeit politischer Katastrophen.

Die Bühnenfassung, sagt der Regisseur Hans-Ulrich Becker, unterscheide sich in einigen Punkten erheblich vom Roman. Ein Kunstgriff Seethalers sei es etwa, dass er mit acht Schauspielern und zwei Musikern auskomme. Drei der Schauspieler sind dabei in einer ganzen Reihe von Rollen zu sehen. Den Erfolg des „Trafikanten“ erklärt sich der Chefdramaturg der WLB, Marcus Grube, damit, dass es seit Siegfried Lenz’ „Deutschstunde“ kein ähnlich faszinierendes, „leises und zärtliches“ Buch über die damalige Zeit gegeben habe. Becker beschreibt es so: „Romantheoretisch betrachtet ist ,Der Trafikant’ ein liebevoll rückwärts gewandtes Buch.“

Mit dem Engagement von Hans-Ulrich Becker hat der Intendant der WLB, Friedrich Schirmer, einen weiteren Coup gelandet. Becker, 1956 geboren, zählt zu den renommiertesten Theaterregisseuren in Deutschland. Zum ersten Mal für Schirmer gearbeitet hat Becker, der zunächst Medizinische Dokumentation und später Germanistik, Kulturanthropologie und Theaterwissenschaft studiert hat, 1994 am Staatstheater in Stuttgart. Von 1995 bis 2001 arbeitete Becker als Hausregisseur in Stuttgart. 2000 wurde seine „Medea“-Inszenierung zum Internationalen Chechov-Festival nach Moskau eingeladen.

Nach 2001 wirkte er als freier Regisseur an zahlreichen renommierten Schauspielhäusern im deutschsprachigen Raum, unter anderem am Deutschen Theater Berlin, am Thalia Theater in Hamburg, am Bayrischen Staatstheater München, an den Schauspielhäusern in Düsseldorf und Bochum, an der Josefstadt in Wien und am Landestheater in Linz. „Der Trafikant“ ist seine erste Regiearbeit an der Württembergischen Landesbühne. Die Arbeit an dem für ihn vergleichsweise kleinen Haus findet er „einfach klasse“: „Hier herrscht eine tolle, fast familiäre Atmosphäre und es ist ein Theater der kurzen Wege.“