Die Stadt muss ein Millionenprojekt schultern: Die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke zwischen Mettingen und Weil muss abgerissen werden. Vorsichtige Schätzungen ergeben Baukosten von rund 20 Millionen Euro.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Der städtische Tiefbauamtsleiter Uwe Heinemann warnt und entwarnt zugleich: „Die Brücke ist sicher“, sagt er, „sonst würden wir sie sperren, sie wird aber höchstens noch zehn Jahre lang sicher sein.“ Die Mettinger Brücke, auch unter dem Namen Hanns-Martin-Schleyer-Brücke bekannt, ist nach der Pliensaubrücke die zweitälteste der Esslinger Neckarbrücken. Sie wurde 1954 in der damals revolutionär neuen Spannbetontechnik gebaut. Dabei werden Betonteile mit Stahlseilen zusammengezogen und erhalten so ihre Festigkeit. Und genau diese Spannseile sind es, die dem Tiefbauamt, das auch für die Esslinger Brücken zuständig ist, Sorge bereiten. Denn damals wurde Stahl verbaut, den Fachleute unter der Bezeichnung Sigma-Oval-Stahl kennen. Dieser Stahl hat eine sehr unangenehme Eigenschaft. Er kann von heute auf morgen ohne Vorwarnung reißen.

 

„Holz spricht, bevor es bricht“, sagt Uwe Heinemann, „Beton nicht“. Der Spruch aus seiner Studienzeit bedeutet, dass Holzbalken am Ende ihres Lebens knarzen und so die Menschen warnen. Eine Brücke könnte jedoch von heute auf morgen einstürzen, und zwar unabhängig davon, wie viel Gewicht auf ihr lastet. Um das zu verhindern, hat Heinemann die Hanns-Martin-Schleyer-Brücke mehrfach untersuchen lassen. Mit einem Magnetfeldsensor haben die Fachleute zwar festgestellt, dass die Stahlseile praktisch noch intakt sind, aber das ist eben keine Gewähr, dass sich nicht doch irgendwann Korrosion einschleicht und die Seile reißen.

In einem zweiten Schritt haben die Ingenieure versucht, Risse in der Außenhaut aufzuspüren, die auf innere Schäden hindeuten, doch kamen die Fachleute mit dieser Methode bald an ihre Grenzen. Oben auf der Brücke sieht man keine Risse, weil sie vom Fahrbahnbelag verdeckt werden, unten an der Brücke kommt man nur mit Spezialkameras ran. Deswegen haben die Tiefbauer eine Art Frühwarnsystem in die Brücke eingebaut. Dessen Sensoren schlagen Alarm, wenn die Brücke sich zu sehr unter ihrer Last durchbiegt. „Das ist dann so eine Art Warnlicht, wie man es vom Auto her kennt“, sagt Heinemann, „wenn es leuchtet, heißt das für den Autofahrer, dass sein Gefährt in die Werkstatt muss.“

Gehen in der Mettinger Brücke die Sensoren an, dann werden Fachleute kommen um zu entscheiden, ob sie weiter befahren werden kann oder gesperrt werden muss. So elegant eine Stahlbetonbrücke ist, so schwierig ist es sie zu sanieren. Die Stahlseile, die das Brückenbauwerk spannen, sind in den Beton eingegossen. Das bedeutet, man müsste den ganzen Beton wegreißen, um an die Seile zu kommen, und dann wäre es billiger, die Brücke von Grund auf neu zu bauen. Ziel der Stadtverwaltung ist es jedenfalls, die Brücke noch zehn Jahre zu halten. Dann gibt es für die neue Brücke zwei Möglichkeiten: Entweder man baut die neue Brücke neben die alte, oder man reißt die alte Brücke ab und baut an alter Stelle neu. In letzterem Verfahren müsste man den Verkehr für mindestens zwei Jahre umleiten. Der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger schätzt die Baukosten auf maximal 20 Millionen Euro, ein happiger Brocken für die Stadtkasse. Zumal auch die anderen Esslinger Brücken nicht oder nur teilweise saniert sind. Das städtische Tiefbauamt nimmt die Bauwerke gerade unter die Lupe und erstellt einen Schadensbericht.