„Zum Schießen“ bedeutet im neuen Programm der Esslinger Galgenstricke keineswegs zum Lachen. Spannung bei der Premiere: Wie wirkt sich das „Hamlet“-Engagement aus?

Esslingen - Einem Kabarettisten muss es wie ein GAU – also das größte anzunehmende Unglück – vorkommen, wenn sich der breite Strom der Zeiterscheinungen an ihm vorbei wälzt und er das Gefühl hat, vor lauter anderweitigen Verpflichtungen und terminlicher Bedrängnis nur einen Bruchteil der Skandale und Skandälchen an Land zu ziehen und aufspießen zu können. Und was für einen Kabarettisten gilt, gilt auch für zwei Kabarettisten, in diesem Fall die beiden Esslinger Galgenstricke.

 

Weil Herbert Häfele und Erich Koslowski auf Wunsch ihres verlässlichen Gönners Friedrich Schirmer, des alten und neuen Intendanten der Württembergischen Landesbühne (WLB), im Sommer bei einer Schwabenversion von Shakespeares „Hamlet“ ihren Part spielen, sind sie offenbar in Verdrückung geraten, was das theatralische Fortkommen auf ihrem ureigenen Feld angeht. Das konnte man quasi am Vorabend der Premiere des neuesten Programms in der Lokalzeitung nachlesen. Und es war auch zu erfahren, dass sich das Duo in seiner Not mit dem Rückgriff auf altbewährte Textpassagen behelfen will. Das Publikum durfte also gespannt sein, wie die Mixtur aus Alt und Neu ausfällt.

Höchstes Gaudi-Lob ist nicht gemeint

„Zum Schießen“ heißt das neue Opus. Doch rasch zeigt sich, dass eine mögliche Bedeutung dieser Floskel, nämlich als höchstes Gaudi-Lob zu dienen, nicht gemeint sein kann. Poppig unterlegtes Vogelgezwitscher vom Band erstirbt peu à peu in MG-Salven – und passend dazu erscheinen die Aufklärungs- und Wahrheitskämpfer Häfele und Koslowski im einheitlichen Camouflage-Leible.

Ein erster Rundumschlag, verpackt in Melodien von Kinderliedern und Schlager-Evergreens, gilt den Flüchtlingen und der bitteren Erkenntnis, dass ihre Heimat nun mal das Meer ist, denn: „Der Balkan ist leider zu, und die Mutti spielt jetzt blinde Kuh!“ Sodann kam, was kommen musste: Das Thema Schmähkritik, die Sache mit den Ziegen und das verbreitete Unbehagen über den langen Arm von Recep Tayyip Erdogan – und das alles vor dem Panorama einer Esslinger Stadtansicht mit Moschee gleich hinter dem Hochwachtturm, dem übergestülpten Kuppeldach samt Halbmond auf dem Wolfstor (?), unterbrochen von Windrädern sowie Sonnenkollektoren über dem Burgwengert.

Die Farbschattierung der Grünen

Dazwischen erfolgt die „Begrüßung im Erstaufnahmelager“, ehe heimische Ereignisse ihr Recht verlangen. Dass der Premierentermin verschoben werden musste, weil der Erich nach seinen eigenen Worten am rechten Auge unter Tränenfluss und Netzhautschwärzung litt, lag nicht an den 15,1 Prozent für die AfD bei den jüngsten Landtagswahlen und dem zunehmenden Schwarzstich der Grünen, wie glaubhaft versichert wurde. Die Farbschattierung bei den Grünen wurde schlicht damit erklärt, dass bei deren Einkauf auf dem Markt das Zeitungspapier abfärbt, mit dem ihr Gemüse eingewickelt wird.

Bis hin zu den obligatorischen Abenteuern der von Erich Koslowski gemimten Rentnerfigur hat sich das Duo allen anfänglichen Bedenken zum Trotz wacker geschlagen. Und Sänger Herbert Häfele bestritt an Quetsche und Klavier ein wahres Fleißpensum. Jedenfalls geizte das Publikum nicht mit Beifall.