Bei der Diskussion über die Zukunft der Kultur in Esslingen weht der Geist der Solidarität durchs Rathaus. Die Frage ist, ob die Kommunalpolitik bei der Umsetzung der Vorschläge mitmacht.

Entscheider/Institutionen : Kai Holoch (hol)

Esslingen - Am Anfang stand die Drohung. 380 000 Euro solle die Kulturszene auf Forderung des Gemeinderats als Beitrag zur Haushaltskonsolidierung einsparen. Das verkündete der Esslinger Kulturbürgermeister Markus Raab den 100 Besuchern der Informationsveranstaltung zur neuen Kulturkonzeption. „380 000 Euro“, betont er noch einmal, „und zwar nicht einmalig, sondern jährlich“.

 

Doch dann lobte er seinen Kulturamtsleiter Benedikt Stegmayer und dessen Kulturkonzeption, mit der es gelingen werde, den Gemeinderat davon zu überzeugen, dass es nur möglich sei, diesen Beitrag zu erbringen, wenn man eine der großen Institutionen schließe. Das wolle niemand. Eine Kürzung der Zuschüsse nach der Rasenmähermethode würde aber unweigerlich das Aus für viele Projekte bedeuten. Raab: „Die Kulturkonzeption rationalisiert den Diskussionsprozess.“

Es fehlt noch ein Saal für 700 bis 800 Zuschauer

Im Alten Rathaus hat ihm niemand widersprochen. Das kann kaum verwundern. Denn zur Vorstellung des 150-Seiten-Werks waren fast ausschließlich Menschen gekommen, die für das reichhaltige Kulturangebot der Stadt sorgen, also ein Interesse daran haben, dass sich die Bedingungen eher verbessern.

Die Kulturkonzeption sehen viele zunächst als Bestandsaufnahme, die verdeutlicht, welche immense Bedeutung die Kultur für Esslingen hat. Im Großen und Ganzen scheinen die Kulturtreibenden mit Stegmayers Arbeit zufrieden zu sein. An der generellen Zielrichtung des Werks hatte niemand etwas auszusetzen – weder an dem Plan, sich zunächst um die Stärkung der kulturellen Teilhabe zu kümmern und die Sanierung und Erweiterung der Stadtbücherei anzugehen, noch an der Idee, prüfen zu lassen, ob ein kulturelles Produktionszentrum für die freie Kunst-, Musik- und Theaterszene tatsächlich überhaupt gebraucht wird. Auch an den von Stegmayer benannten Stärken – der kulturellen Vielfalt und einer gewachsenen Kulturlandschaft – sowie den Schwächen hatten die Teilnehmer wenig auszusetzen. Probleme gebe es bei der räumlichen Infrastruktur. Zudem erreiche die Kultur zu viele Menschen nicht. Auch gebe es zu wenige Leuchtturmprojekte, die über die Region hinaus strahlten.

Allerdings gab es noch zahlreiche Vorschläge, wo man Details ergänzen oder Aspekte in der Konzeption deutlicher hervorheben könne. Eckhart Fischer vom Verein Esslingen Live etwa mahnte an, dass die Stadt noch sehr gut einen Veranstaltungssaal für 700 bis 800 Zuschauer gebrauchen könnte. Vertreter von Chören merkten in diesem Zusammenhang an, dass die von der Stadtverwaltung angedachte Verlagerung der Stadtbücherei in die Franziskanerkirche und das angrenzende Gemeindehaus am Blarerplatz die Auftritts- und Probesituation in der Stadt noch weiter verschärfen würde.

Gar nicht nötig gewesen wäre in diesem Zusammenhang die Verteidigungsrede von Sylvia Greiffenhagen, der Vorsitzenden des Fördervereins der Stadtbücherei gewesen. Sie betonte, dass die Bücherei gegen den Willen der dort Verantwortlichen nun möglicherweise zu einer Konkurrenz für die Chöre werde. Denn einen Vorwurf in diese Richtung hat bei der Gesprächsrunde niemand erhoben. Vielmehr wurde einmal mehr deutlich, mit welch großem Respekt die Esslinger Kulturtreibenden miteinander umgehen. Da weht noch immer ein bisschen der Geist der Solidarität, den der frühere Kulturreferent Peter Kastner einst beschworen hatte, durch den Raum.

Sabine Bartsch begrüßt die Pläne für einen Innovationsfonds

Sabine Bartsch, die Sprecherin des Netzwerks Kultur und Geschäftsführerin des Kulturzentrums Dieselstraße, mahnte eine enge Zusammenarbeit des Schul-, Sport- und Kulturamts sowie des städtischen Integrationsbüros an, um den Gedanken der erweiterten Teilhabe am kulturellen Angebot mit Leben zu füllen. Ausdrücklich begrüßte sie den Vorschlag, einen Innovationsfonds zu schaffen und eine Fachjury über die Vergabe der Mittel entscheiden zu lassen.

Ob es je dazu kommt, ist fraglich und hängt – darauf wies der Kommunikationscoach Wolfgang Weiner als Moderator des Abends berechtigterweise hin – davon ab, ob es den Kulturtreibenden gelingt, die Kommunalpolitik für die Ideen zu gewinnen. Weiner: „Bedenken Sie: Politiker sollen freiwillig Geld für etwas geben, bei dem sie nur bedingt mitreden können.“ Deshalb müssten sich alle immer wieder die Frage stellen: „Wie kriegen wir das hin?“ Und selbst wenn einiges gelingt, ist an dem Abend auch klar geworden: Viele Wünsche werden auf lange Zeit unerfüllt bleiben.