Das EU-Parlament fordert Änderungen bei der Finanzierung des geplanten Investitionsfonds. „Hier wird Geld aus Förderprogrammen gekürzt, die wir aus gutem Grund beschlossen und über Jahre verhandelt haben“, kritisiert die belgische Sozialdemokratin Kathleen Van Brempt, „wo soll da der Mehrwert sein?“

Brüssel - Das EU-Investitionsprogramm, das mit 315 Milliarden Euro die noch immer lahmende Wirtschaft Europas stimulieren soll, hat eine weitere wichtige Hürde genommen. Die zuständigen Fachausschüsse des Europaparlaments segneten das Vorhaben, einen Europäischen Fonds für Strategische Investitionen (Efsi) aufzusetzen, am Montagabend mit breiter Mehrheit ab. Damit können die abschließenden Verhandlungen mit dem Ministerrat der 28 Regierungen beginnen, die den von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker präsentierten Plan bereits abgesegnet haben.

 

Sie werden jedoch äußerst schwierig, weil die Vorstellungen zur Finanzierung der Investitionsoffensive weit auseinanderliegen. Ein Teil der 21 Milliarden Euro an öffentlichen Sicherheiten für etwas riskantere Projekte, mit denen private Geldgeber animiert werden sollen, wenigstens das 15-fache zu investieren, soll von der Europäischen Investitionsbank kommen, die fünf Milliarden Euro gibt. Der EU-Haushalt soll 16 Milliarden Euro garantieren, wofür die Hälfte ganz konkret aus bereits existierenden Programmen herausgekürzt werden soll – zum Beispiel 3,3 Milliarden Euro aus dem neuen Infrastrukturtopf namens Connecting Europe Facility sowie 2,7 Milliarden Euro aus der Forschungsförderung, genannt „Horizon 2020“.

Und das lehnt das Europaparlament im Gegensatz zu Juncker und den Finanzministern radikal ab. Parteiübergreifend fordern die Abgeordneten die Brüsseler Kommission in ihrem Beschluss auf, alternative Finanzierungsmodelle vorzuschlagen, „damit der gute Ruf der EU im Forschungsbereich keinen Schaden nimmt und die Förderung von Verkehrsprojekten künftig nicht auf der Strecke bleibt“, wie die CDU-Politiker Burkhard Balz und Reimer Böge nach der Abstimmung mitteilten. „Hier wird Geld aus Förderprogrammen gekürzt, die wir aus gutem Grund beschlossen und über Jahre verhandelt haben“, kritisiert die belgische Sozialdemokratin Kathleen Van Brempt, „wo soll da der Mehrwert sein?“ Der liberale Fraktionschef Guy Verhofstadt fordert, dass „vor allem das Forschungsbudget geschützt wird, das schon in der Vergangenheit viele Innovationen angestoßen hat“.

Ruf nach anderen Geldquellen

Als Alternative schlägt das Europaparlament vor, schon zum Start des Fonds die vollen 16 Milliarden Euro aus dem Etat zu garantieren, die Garantie aber nur schrittweise mit konkreten Haushaltslinien zu hinterlegen. Die avisierten acht Milliarden Euro könnten aus den am Ende eines Haushaltsjahres unverbrauchten Mitteln bis zum Jahr 2022 angesammelt werden statt sie zurück in die Nationalstaaten zu überweisen – dies sei möglich, so die Abgeordneten, da Ausfallzahlungen für gescheiterte Projekte, wenn überhaupt, erst im Laufe der Zeit fällig werden würden.

Mit ihrem Ruf nach anderen Geldquellen stehen die Volksvertreter keineswegs allein. Die Universitäten sehen das Vorhaben kritisch. So klagten die Chefs der deutschen und britischen Hochschulrektorenkonferenz kürzlich in einem Zeitungsbeitrag über die Kürzung. „Eine nachhaltige Finanzierung von universitärer Forschung ist eine der Grundvoraussetzungen für Innovation, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit in der gesamten Europäischen Union“, schrieben Horst Hippler und Christopher Snowden.

Aber auch die Bundesländer fürchten um die Förderung ihrer Hochschullandschaft. So lehnte der Bundesrat bereits Anfang Februar die Umleitung von Geld aus dem Forschungstopf in den Investitionsfonds ab: „Das EU-Forschungs-und Innovationsprogramm Horizont 2020 ist bereits heute ein etabliertes und gut funktionierendes Wachstumsprogramm für Europa, das nicht geschwächt werden sollte.“ Nachdem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble dem jedoch auf europäischer Ebene zugestimmt hatte, schwächte die Länderkammer ihre Position ab.

Keine offenen Ohren

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann legte deshalb noch einmal nach. Die Kürzung sei, heißt es in einem Brief des Grünen an Schäuble, der der StZ vorliegt, „für Baden-Württemberg als einem starken Forschungsstandort nicht hinnehmbar und auch insgesamt kontraproduktiv“. Kretschmann rechnet mit zehn Prozent Einbußen bei der Förderung, die durch den Investitionsfonds auch nicht wieder ausgeglichen werden könnten: „Forschung und Wissenschaft brauchen im Regelfall keine Darlehen oder Garantien zur Risikoabsicherung, sondern Zuschüsse.“ Kretschmanns Europaminister Peter Friedrich (SPD) legt gegenüber der StZ nach: „Da wird ein Haushaltsposten kannibalisiert zugunsten eines Fonds, dessen Erfolg noch gar keine ausgemachte Sache ist“.

Die Bedenken sind bei Finanzminister Schäuble allerdings nicht auf offene Ohren gestoßen. Er halte die Kürzung für verkraftbar, heißt es in seinem Antwortschreiben. Gegenüber der vorangegangenen Förderperiode würden die Forschungsmittel immer noch um 38 statt bisher 43 Prozent zunehmen. „Das stimmt“, räumt Friedrich ein, „doch das ist immer noch viel weniger als das, was die Kommission einmal für nötig erachtet hatte, um die Forschung in Europa zu fördern.“