Der neue Präsident der EU-Kommission hat Probleme, seine Mannschaft aufzustellen. Sechs Länder haben noch keine Kandidaten für Brüssel nominiert.

Brüssel - Jean-Claude Juncker hat vor, im August wenigstens eine Woche Urlaub zu machen. Seit Donnerstag aber ist klar, dass auch diese kurze Erholungspause vor dem heißen Herbst – wenn der frühere Luxemburger Premier als Präsident einer neuen EU-Kommission sein Amt antreten soll – in Gefahr ist. Bis 31. Juli – darum hatte Juncker die Staats- und Regierungschefs beim letzten Gipfeltreffen gebeten – sollten sie ihre Kandidaten nominieren; am besten zwei oder mehr, damit er eine Auswahl habe, um eine schlagkräftige Mannschaft zu formen. Doch es ist Junckers erste Niederlage seit seiner Wahl zum Kommissionschef: Zum Ablauf der Frist fehlten noch sechs Personalvorschläge – aus Italien, Portugal, Rumänien, Slowenien, den Niederlanden und Belgien.

 

Ohne alle Namen aber ist es schwierig, die Ressorts zuzuschneiden. Hinzu kommt, dass ihm bisher kaum Kandidatinnen gemeldet wurden – dem Vernehmen nach nur zwei. Bei seiner Wahl im Europaparlament hat Juncker den Abgeordneten jedoch versprochen, keine Kommission akzeptieren zu wollen, der weniger Frauen angehören als die bisher neun. Die Parlamentarier wollen auch keine solche wählen. Im Ergebnis heißt das, dass er und sein vom Deutschen Martin Selmayr geleitetes Übergangsteam in den nächsten Wochen noch viel telefonieren müssen, um der ein oder anderen Regierung einen neuen Vorschlag zu entlocken. Junckers Sprecherin warnte daher gestern, dass sich der für November geplante Amtsantritt verzögern könnte.

Vor allem die Ashton-Nachfolge bereitet Kopfzerbrechen

Dabei hatte sich die Bildung der neuen Kommission gut angelassen. Entgegen dem Kalauer „Hast Du ’nen Opa, schick ihn nach Europa“, der Brüssel als Versorgungsanstalt abgehalfteter Politiker beschreibt, schienen einige Staaten der gestiegenen Bedeutung der Europapolitik nun auch personelle Konsequnzen folgen zu lassen: Der Finne Jyrki Katainen etwa trat kürzlich gar vom Amt des Premiers zurück, um Kommissar zu werden. Auch Estland und Lettland schickten mit Andrus Ansib und Valdis Dombrovskis zwei Ex-Regierungschefs ins Rennen. Frankreich hat den früheren Finanzminster Pierre Moscovici nominiert, der in der Eurokrise ein wichtiger Akteur war.

Nun aber fehlt neben der Weiblichkeit vor allem noch eine wichtige Personalie, die zu bestimmen sich die Staats- und Regierungschefs selbst vorbehalten: die Nachfolge der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton. Nach Junckers Idealvorstellung stünde der entsprechende Name schon auf der Vorschlagsliste, die er verlangt hat. Realistischerweise aber wird der Posten des Chefdiplomaten, zugleich Vizepräsident der Kommission, erst beim EU-Sondergipfel am 30. August gekürt. Das ist auch der Grund dafür, dass Italien noch niemanden benannt hat. Premier Matteo Renzi hätte seine Außenministerin Federica Mogherini gerne zur EU-Außenministerin gemacht, stieß damit beim letzten EU-Gipfel auf Granit. Auf dieser Basis eine EU-Kommission zu zimmern ist doppelt verzwickt – weil andere Kandidaten für das Außenamt möglicherweise erst dann zurückziehen, wenn klar ist, dass ihr Land zumindest einen attraktiven Kommissarsposten an Land ziehen wird.

In zwei Gesprächen hat Oettinger klar gemacht, was er will

In dieser Gemengelage nationaler Eitelkeiten hat Juncker bereits seine Idee begraben müssen, die Organisation des Gremiums dadurch zu straffen, dass mehrere Vizepräsidenten mit der Oberaufsicht über große Themen wie „Binnenmarkt und Handel“ oder „Energie, Klima, Umwelt“ betraut werden und die „normalen“ Kommissare ihnen quasi nur zuarbeiten. „Juncker will, dass die Kommission effektiver arbeitet. Daran werden wir in den nächsten Wochen und Monaten arbeiten“, sagte seine Sprecherin: „Aber er glaubt nicht, dass die Welt in diesen sogenannten ,Clustern’ organisiert werden kann. Und er glaubt ganz sicher nicht an Kommissare erster und zweiter Klasse.“ Das wiederum macht es schwierig, den passenden Posten für Günther Oettinger zu finden.

In zwei persönlichen Gesprächen mit Juncker hat der Deutsche klargemacht, dass es etwas mit Wirtschaft sein soll. Doch den Deutschen als Erfindern des EU-Wettbewerbsrechts will man traditionell nicht auch noch den entsprechenden Posten geben, ein deutscher Währungskommissar gilt den Südländern als unvermittelbar und auf den Binnenmarktjob haben die Briten ein Auge geworfen. Baden-Württembergs früherer Ministerpräsident kann sich auch vorstellen, Energiekommissar zu bleiben, wobei in Gestalt von Österreichs Agrarkommissar Franz Fischler erst einmal jemand zehn Jahre lang dasselbe Amt in der Kommission bekleidet hat. Da Oettinger nach dem Ausscheiden einiger EU-Kommissare zum Vizepräsidenten aufgerückt ist, wäre die Cluster-Lösung die einfachste. Doch daraus wird nun nichts – so wie möglicherweise auch aus Junckers Urlaub.