Der Europäische Gerichtshof hat entschieden: Deutschland muss bedürftigen Zuwanderern nicht grundsätzlich Hartz IV zahlen. Der Staat kann in bestimmten Fällen die Sozialleistung verweigern.

Luxemburg - Deutschland kann nach einem Urteil des höchsten europäischen Gerichts Zuwanderern aus anderen EU-Ländern unter bestimmten Bedingungen Hartz-IV-Leistungen verweigern. Ein Staat müsse die Möglichkeit haben, Zuwanderern ohne Job Sozialleistungen zu versagen, entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg.

 

Der Ausschluss sei möglich, falls Zuwanderer nur das Ziel hätten, „in den Genuss der Sozialhilfe eines anderen Mitgliedstaates zu kommen, obwohl sie nicht über ausreichende Existenzmittel (...) verfügen“. Der EuGH gab aber vor, jeden Einzelfall zu prüfen.

Im konkreten Fall ging es um eine Rumänin aus Leipzig, die auf Hartz IV geklagt hatte. Das Jobcenter hatte der Frau diese Leistungen verweigert, weil sie keine Arbeit aufnahm. Die Frau hatte keinen Beruf gelernt und auch in ihrem Heimatland nicht gearbeitet. Das Sozialgericht Leipzig hatte den EuGH um Klärung gebeten.

Der EuGH schrieb, die Frau verfüge nicht über „ausreichende Existenzmittel“ und könne deshalb laut EU-Recht kein Recht auf Aufenthalt in Deutschland geltend machen. Sie könne sich deshalb nicht auf das im EU-Recht verankerte Diskriminierungsverbot berufen.

Fall hat Grundsatzcharakter

Der Fall hat wegen der Debatte über möglichen Missbrauch von Sozialleistungen durch Zuwanderer grundsätzliche Bedeutung. Es geht dabei vor allem um Migranten aus Bulgarien und Rumänien. Für deren Bürger gilt seit Jahresbeginn die volle Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union.

Der EuGH wies darauf hin, ein Mitgliedstaat sei nicht verpflichtet, Zuwanderern während der ersten drei Monate ihres Aufenthalts Sozialhilfe zu gewähren. In Deutschland erhalten einreisende Ausländer in den ersten drei Monaten kein Hartz IV. Danach wird geprüft, ob sie zum Zweck der Arbeitssuche ins Land kamen. Hat der Einreisende eine Arbeit in Deutschland gefunden und verliert sie wieder, kann er Hartz IV beziehen.

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer teilte mit, das Urteil bedeute für ihn ein „ein klares Nein zu Sozialtourismus und Sozialmissbrauch“. Es sei gut, dass der EuGH für Rechtssicherheit sorge. „Dieses Recht muss nun auch konsequent angewandt werden“, forderte Scheuer.

„Das EuGH-Urteil hat die Kontrollmechanismen des deutschen Sozialrechts bestätigt“, erklärten die SPD-Europaabgeordneten Birgit Sippel und Jutta Steinruck. „Die Einzelfallprüfung ist ein rechtliches Grundprinzip, an dem nicht gerüttelt werden darf.“

Der Fraktionschef der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber (CSU), sagte, das Urteil habe weit über Deutschland hinaus Bedeutung. „Die Freizügigkeit in der EU ist nicht verhandelbar. Aber es ist klar, dass von der EU kein Missbrauch und Sozialtourismus akzeptiert wird“, so Weber.