Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs ist ein Auftrag für die Politik, um konstruktiv nach vorne zu schauen, meint Politikredakteur Christian Gottschalk.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - Hätte der Europäische Gerichtshof (EuGH) anders entschieden, sein Urteil hätte die Kraft eines gewaltigen Erdbebens gehabt. Nun, da Flüchtlingen kein Recht auf ein humanitäres Visum zugestanden wird, bleibt die europäische Asylpolitik zunächst einmal vor dem Zusammenbruch bewahrt. Das Urteil mag sehr formalistisch begründet sein, gleichwohl ist es richtig. Die Folgen bei einer anderen Rechtsprechung wären unabsehbar gewesen, sowohl für das Gericht, das sich dem Vorwurf ausgesetzt hätte, Politik zu machen, als auch für den Bestand der Europäischen Union. Allerdings: Nun sind die Folgen für die Flüchtlinge absehbar. Sie müssen weiterhin erst nach Europa gelangen, um Asyl beantragen zu können. Das Geschäft für Schlepper geht weiter, ebenso das Massensterben im Mittelmeer.

 

Die bestehenden Regeln sind unbefriedigend

Das schon sollte Grund genug sein, sich nicht zurückzulehnen und das Thema als erledigt abzuhaken. Die Entscheidung des EuGH sollte vielmehr als Auftrag verstanden werden, die Diskussion schnell, sachlich und konstruktiv voranzutreiben. Die bestehenden Regeln über die Gewährung von Asyl sind unbefriedigend. Darauf zu hoffen, dass EU-Staaten zwar nicht die Pflicht, aber das Recht haben, schon in der Botschaft ein Visum auszustellen, reicht nicht aus. Das wird in der Zukunft so selten bleiben wie es in der Vergangenheit war.