Wegen der steigenden Inflationsgefahr hebt die Europäische Zentralbank den Leitzins auf 1,25 Prozent. Damit will sie die Kaufkraft erhalten.

Frankfurt/Main - Mit dem ersten Zinsschritt seit fast zwei Jahren verabschiedet sich die Europäische Zentralbank (EZB) von ihrer Politik des extrem billigen Geldes. Wegen der steigenden Inflationsgefahren heben Europas Währungshüter den Leitzins im Euro-Raum um 0,25 Prozentpunkte auf 1,25 Prozent an. Das teilte die EZB nach ihrer Ratssitzung am Donnerstag in Frankfurt mit. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld war im Mai 2009 mitten in der Wirtschafts- und Finanzkrise auf das Rekordtief von 1,0 Prozent gesenkt worden.

 

Volkswirte erwarten, dass die Notenbank den Leitzins in den kommenden Monaten in kleinen Schritten auf 2,0 Prozent anheben wird. Damit sollen der Preisdruck gesenkt und die Kaufkraft in Boom-Ländern wie Deutschland erhalten werden. Für die schwächelnde Konjunktur in hoch verschuldeten Ländern am Rand der Euro-Zone wie Irland, Griechenland und Portugal könnte die Zinserhöhung allerdings Gift sein. In diesen Ländern wird die Konjunktur bereits durch die öffentlichen Einsparungen schwer belastet. Höhere Zinsen können den Preisauftrieb bremsen, sie verteuern aber auch Kredite. Sorgen vor einer drohenden Spaltung des Euroraums halten Ökonomen wie Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise aber für übertrieben: „Die konjunkturellen Auswirkungen werden begrenzt sein.“ In diesen Ländern sei der moderate Zinsschritt weniger bedeutend als Risikoprämien.

Zentralbank als Inflationsbekämpfer

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatte die Märkte im März überraschend deutlich auf den Zinsschritt vorbereitet. Damals sagte er: „Eine Zinserhöhung bei unserer nächsten Sitzung ist möglich, aber nicht sicher.“ Zuvor waren die Währungshüter von den explodierenden Energie- und Rohstoffpreisen überrascht worden. Oberstes Ziel der EZB ist die Preisstabilität, die sie bei einer Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent gewährleistet sieht. Im März betrug die jährliche Teuerungsrate im Euroraum 2,6 Prozent. „Die EZB stellt mit dem Zinsschritt ihren Status als Inflationsbekämpfer unter Beweis. Sie unterstreicht, dass sie es ernst nimmt mit der Preisstabilität im Euro-Raum“, sagte Jürgen Michels von der Citigroup.

Der Chefvolkswirt der Berenberg Bank, Holger Schmieding, sieht den Zinsschritt keine 24 Stunden nach dem Hilfegesuch Portugals als ein positives Signal - zumal gleichzeitig Spanien erfolgreich und ohne weitere Aufschläge Anleihen am Markt platzierte: „Einen besseren Beweis für Europas Fortschritte beim Verhindern der Ansteckungsgefahren bei ihrer Staatsschuldenkrise hätte es nicht geben können“, befand Schmieding.