Der Eurorettungsfonds erhält erweiterte Kompetenzen. Vor allem aber wird er massiv aufgestockt. 

Berlin - Die Beschlüsse des Kabinetts umfassen zwar nur sieben Seiten, doch sie sind von großer Tragweite. Die Regierung brachte am Mittwoch ihren Vorschlag für die Aufstockung des Rettungsschirms auf den Weg. Genau genommen arbeitete die Regierung für das Parlament nur Formulierungshilfen aus. Um Zeit zu sparen, bringen in der kommenden Wochen Union und FDP das Gesetz ein, das den Eurorettungsfonds EFSF mit höheren Summen ausstatten soll und ihm mehr Kompetenzen verleiht. Für die Steuerzahler bedeutet dies wachsende Risiken. Die Bundesregierung erhofft sich davon, dass die Euroländer bei einer weiteren Zuspitzung der Schuldenkrise schneller handeln können.

 

Haftungssumme steigt

Nach dem Beschluss der europäischen Staats- und Regierungschefs soll der bestehende Rettungsfonds EFSF aufgestockt werden. Der EFSF kann bald 440 Milliarden Euro an Krediten bereitstellen. Dabei handelt es sich um den größten Topf. Hinzu kommen noch Darlehen aus EU-Kassen, die maximal 60 Milliarden Euro betragen dürfen. Die Finanzspritze der EU ist mittlerweile größtenteils aufgebraucht. Darüber hinaus stellt aber auch der Internationalen Währungsfonds (IWF) Darlehen zur Verfügung. Schon bei der Gründung im Mai 2010 war der EFSF mit einem Volumen von 440 Milliarden Euro geplant gewesen. Hinterher stellte sich heraus, dass die Staaten im höherem Umfang bürgen müssen, damit der EFSF von Ratingagenturen erstklassige Bonitätsnoten erhält. Um im Ernstfall 440 Milliarden Euro an Krediten vergeben zu können, bürgen die Euroländer beim EFSF künftig mit 779,8 Milliarden Euro.

Deutscher Anteil steigt

Für Deutschland steigt der Bürgschaftsrahmen von 123 auf 211 Milliarden Euro. Diese Summe müssten die deutschen Steuerzahler aufbringen, wenn der Rettungsfonds EFSF seine Darlehensgrenzen voll ausschöpft und die Gelder nicht mehr zurück erhält. Das sei ein theoretischer Fall, heißt es in Berlin. Die Regierung hält dieses Risiko für gering und verweist darauf, dass bisher nur Garantien abgegeben worden sind. Der Kreditrahmen sei bisher mit Zusagen an Irland und Portugal zum kleinen Teil ausgeschöpft. Dennoch halten die Euroländer eine bessere Ausstattung des Rettungsschirms für nötig, um die Finanzmärkte davon zu überzeugen, dass notfalls weitere kriselnde Länder gestützt werden können. Die Steuerzahler haften aber nicht nur für den deutschen Anteil am EFSF. Hinzu kommen auch die staatlichen Garantien für die erste Griechenland-Hilfe, die außerhalb des EFSF abgewickelt wurde: Der deutsche Staat haftet dabei mit 22,4 Milliarden Euro. Insgesamt beläuft sich der deutsche Bürgschaftsrahmen bei der Eurorettung künftig also auf 233 Milliarden Euro. Das entspricht rechnerisch etwa drei Vierteln des Bundeshaushalts 2011.

Neue Instrumente

Der Rettungsschirm soll künftig mehr Kompetenzen erhalten, um Euroländer vor dem Kollaps zu bewahren und ein Übergreifen der Krise auf weitere Eurostaaten zu verhindern. Als Notmaßnahme kann der EFSF künftig neu ausgegebene Staatsanleihen von Euroländern kaufen (Anleihekauf am Primärmarkt). Möglich ist auch, dass der Rettungsfonds Staatsanleihen erwirbt, die an Börsen gehandelt werden (Käufe am Sekundärmarkt). Letztere Variante soll nur unter der Bedingung möglich sein, dass die Europäische Zentralbank zum Schluss kommt, dass „außergewöhnliche Umstände“ auf den Finanzmärkten herrschen. So soll verhindert werden, dass ein Land seine Finanzprobleme dadurch löst, dass es seine Anleihen in großem Stil beim ESFS parkt. Der Rettungsfonds macht seine Hilfen ohnehin von strengen Auflagen abhängig. Um Hilfe zu erhalten, muss sich ein Land zu einem strikten Sparkurs verpflichten. Neu ist auch, dass der Rettungsfonds – ähnlich wie heute schon der IWF – Ländern eine vorsorgliche Kreditlinie einräumen kann. Dieser Kredit muss nicht in Anspruch genommen werden und dient dazu, die Finanzmärkte zu beruhigen. Außerdem soll der EFSF künftig auch auf Bankenkrisen reagieren können. Zeichnet sich ab, dass ein Land wegen der Schieflage seiner Geldhäuser ins Straucheln gerät, kann der Rettungsfonds mit Darlehen aushelfen. Damit soll vorgebeugt werden, dass sich Bankenkrisen ausweiten. Der ESFS gibt die Kredite aber nur an Staaten und verhandelt nicht direkt mit Banken.

Nächste Schritte

Bundestag und Bundesrat wollen bis Ende September die Reform des EFSF beschließen. Die Bundesregierung hofft, dass die übrigen Eurostaaten ebenfalls noch im September entscheiden. Im Oktober wollen die Euroländer dann das zweite Hilfspaket für Griechenland im Volumen von 109 Milliarden Euro umsetzen. Finanziert werden soll das Paket aus Mitteln des EFSF. Die Aufstockung des Krisentopfs soll auch sicherstellen, dass die weiteren Griechenland-Hilfen verkraftet werden können. Bis zum Jahresende wollen Bundestag und Bundesrat auch den dauerhaften Krisenschirm ESM beschließen. Er soll zur Jahresmitte 2013 den Rettungsschirm EFSF ablösen.

Parlamentsbeteiligung

Die schwarz-gelbe Koalition will verhindern, dass es zu einem Automatismus bei der Gewährung von Hilfen kommt. Ein Vorschlag der Haushaltspolitiker von Union und FDP sieht deshalb vor, dass der Deutsche Bundestag gefragt werden muss, bevor ein Land Hilfen vom Rettungsschirm EFSF beantragt. Die Koalition will erreichen, dass der Bundestag bei allen Hilfsmaßnahmen das letzte Wort hat. Das stößt auf Bedenken von Finanzminister Wolfgang Schäuble, der darauf dringt, dass der Rettungsfonds im Ernstfall rasch handeln kann.