An ihrem ersten vollen Tag im Amt schafft die britische Premierministerin Theresa May weitere Tatsachen. Sie krempelt das Kabinett von Ex-Premier David Cameron ordentlich um.

London - Das neue britische Kabinett nimmt Gestalt an: Einen Tag nach Amtsübernahme berief die neue Premierministerin Theresa May am Donnerstag weitere Regierungsmitglieder. Neue Justizministerin ist Liz Truss, Justine Greening führt das Bildungs- und Frauenressort. Zuvor hatte May mehrere Minister ihres Amtsvorgängers David Cameron entlassen. Für Stirnrunzeln sorgte in einigen Ländern ihre Entscheidung vom Mittwochabend, ausgerechnet Brexit-Vorkämpfer Boris Johnson zum Außenminister zu ernennen.

 

Bei den wegweisenden Verhandlungen über den Ausstieg aus der Europäischen Union dürfte der Londoner Ex-Bürgermeister indes eher eine Nebenrolle spielen. Denn May schuf dafür eigens den Posten des Brexit-Ministers, den der langjährige Ausstiegs-Befürworter David Davis bekleiden wird. Ebenfalls am Mittwochabend ernannte sie den bisherigen Außenminister Philipp Hammond zum Finanzminister. Amtsinhaber George Osborne, ein vehementer Befürworter eines EU-Verbleibs, trat zurück. Mays früheren Chefposten im Innenressort übernimmt Amber Rudd. Bis Donnerstagmittag waren etwa die Hälfte der Ministerposten besetzt.

Leitzins bleibt unverändert

Die britische Zentralbank Bank of England beließ trotz der Unsicherheiten nach dem Brexit-Votum den Leitzins unverändert. Auch verzichtete sie darauf, mehr frisches Geld in die Wirtschaft zu pumpen und beließ ihr Anleihenkaufprogramm unverändert bei 375 Milliarden Pfund (448 Milliarden Euro). Der zuständige Bankausschuss deutete aber an, seine Geldpolitik im August zu lockern, wenn neue Prognosen über die Folgen des Brexit vorlägen.

Die meisten Beobachter hatten erwartet, die Bank würde ihren Leitzins von derzeit 0,5 Prozent senken, um die Wirtschaft zu stützen. Das britische Pfund, das direkt nach dem Brexit-Votum vom 23. Juni abgestürzt war, stieg nach dieser Entscheidung um fast 2 Prozent auf 1,3367 Dollar.

Der frischgebackene Finanzminister Hammond sagte, er erwäge trotz des geplanten Austritts des Königreichs aus der Europäischen Union keinen Nothaushalt. „Die Märkte benötigen Beruhigungssignale, sie müssen wissen, dass wir alles tun, um die Wirtschaft auf Kurs zu halten“, sagte er.

Das Referendums für eine Abkehr von der EU am 23. Juni stürzte das Vereinigte Königreich in wirtschaftliche und innenpolitische Turbulenzen. Der bisherige Premier Cameron, der die Abstimmung selbst initiiert und für einen EU-Verbleib geworben hatte, erklärte seinen Rücktritt.

Druck auf London ausgeübt

Einige EU-Staaten haben bereits Druck auf London ausgeübt, die formalen Gespräche über den Ausstieg aus der EU so schnell wie möglich zu beginnen. May will sich damit Zeit bis 2017 lassen. Ihr Ziel ist es, britischen Unternehmen den Zugang zum EU-Binnenmarkt auch für die Zukunft sichern. Allerdings will Großbritannien gleichzeitig die damit verbundene Freizügigkeit von EU-Bürgern eindämmen. Jürgen Hardt, der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, bezeichnete viele der britischen Vorschläge über die künftigen Beziehungen als nicht umsetzbar.

Am Mittwoch hatte Cameron den Machtwechsel vollzogen: Er ließ sich von Königin Elizabeth II. offiziell von seinen Aufgaben entbinden. Im Buckingham-Palast wurde May später von der Queen zur Regierungschefin ernannt. Damit hat Großbritannien erstmals seit Margaret Thatchers Rücktritt 1990 wieder eine Premierministerin.