Klassen der Flattichschule Münchingen haben das Leben der behinderten Maria Haun recherchiert, die mit 27 Jahren von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Ihre Ergebnisse präsentierten sie in einer Gedenkfeier – stellvertretend für viele andere, auch aktuelle, Opfer.

Korntal-Münchingen - Vor allem für Jugendliche ist der Tod weit weg, unsicher sind sie oft, wie sie damit umgehen sollen. Ganz anders ist das nun für die Flattichschüler. Sie haben sich einer der wohl schwierigsten Form des Themas angenommen: der Ermordung von Behinderten und Kranken während der Zeit des Nationalsozialismus.

 

Mit einer bewegenden Feier gedachten sie am Freitag im Widdumhof der Euthanasieopfer. Im Mittelpunkt stand die Münchingerin Maria Haun, „eine junge Frau, die nur 27 Jahre leben durfte“, wie die Zehntklässlerin Pia Haase sagte. Haun kam 1913 gesund zur Welt, später stellte sich heraus, dass sie geistig und körperlich zurückgeblieben ist. Sie wurde deshalb in die Stettener Anstalt gebracht. Dort lernte sie Weben, in ihrer Freizeit strickte sie, schrieb Gedichte und spielte Mundharmonika. Eindrucksvoll stellten die Schüler der 9a und 10b auch mit kleinen Szenen das Leben und die Persönlichkeit von Maria Haun dar. Begleitet wurden sie vom Kabarettisten Roland Baisch auf der Mundharmonika.

Hauns Leben verlief alles andere als harmonisch. Es wurde festgestellt, dass sie an fortschreitendem Muskelschwund litt. Sie habe nur Arbeit gemacht und Essen verbraucht, so das harte Urteil der Nationalsozialisten. Ende Oktober 1940 musste sie mit ansehen, wie ein Todesstempel unter ihren Namen gesetzt wurde. Am 12. November 1940 sei der „gefürchtete graue Wagen“ erschienen. „I will no leba“, rief Maria Haun, die den Recherchen zufolge wusste, was geschehen würde. „Unerwartet verstorben“ sei sie am 28. November, wurde der Mutter schließlich mitgeteilt. Der Tod habe eine Erlösung für sie bedeutet, zitierte Baisch aus dem Brief eines Nationalsozialisten namens Keller.

Die Besucher waren beeindruckt, wie die Schüler auf Initiative der Geschichtslehrerin Dagmar Müller-Buchalik und mit dem Stadtarchivar Alexander Brunotte das Schicksal aufgearbeitet hatten. Als „sehr ergreifend“ lobten zwei Angehörige von Maria Haun die Feier. Sie hatten diese öffentliche Aufarbeitung eigentlich nicht wollen, sagten dann aber zu, um diese Arbeit zu würdigen. Es war nicht das erste Projekt der Schüler, für ein früheres wurden sie für den Friedenspreis der Anstifter nominiert. Und es soll nicht das letzte sein, so Müller-Buchalik, die sich noch einen Stolperstein wünscht, was aber keine Begeisterung ausgelöst habe. Großes Lob kam auch vom Technischen Beigeordneten Ralf Uwe Johann und dem Rektor Werner Schoner. Der VdK-Vorsitzende Otto Koblinger erinnerte daran, dass damals zu viele geschwiegen hätten. Er ist sich sicher, dass die Jugendlichen „weiterhin für Respekt vor anderen eintreten werden“.

Auch wenn es nur um eines von elf ähnlichen Schicksalen in Münchingen ging – die Schüler spannten geschickt den Bogen zum Heute, nicht nur mit dem passenden Song der Schulband „Deine Schuld“. Denn die Feier sollte ein „kleines Zeichen sein für Frieden und Mitmenschlichkeit“, wie Pia Haase gesagt hatte. Dazu riefen Sechst- und Siebtklässler mit Blick auf die oft herrschende Ausgrenzung etwa von Behinderten Sätze wie „Jeder Mensch sollte sein eigenes Leben bestimmen!“ und, jeweils als Replik, „Empört euch! Kämpft für die Rechte der Menschen!“ Und, zuletzt, ganz laut: „Wehrt euch!“