Kultur: Stefan Kister (kir)
Sie waren zehnmal bei der Preisverleihung in Stockholm. Ist das nicht ein überlebtes Ritual aus dem Ancien Regime?
Ich fand das immer irre komisch und schön. Dass es so etwas noch gibt, dieses Hofzeremoniell, das dann auch wunderbar durchbrochen wurde, als zum Beispiel der gelähmte Tomas Tranströmer, der gar nicht mehr reden konnte, im Rollstuhl vor den König gekarrt wurde und diesem mit der rechten Hand, die er noch bewegen konnte, die Wange getätschelt hat. Was für ein schönes Bild!
Fällt durch die Vorfälle ein Schatten auf vergangene Entscheidungen?
Meine Preise waren alle prima: Elias Canetti, Derek Walcott, Seamus Heaney, Herta Müller, Orhan Pamuk und wie sie alle heißen, das sind wunderbare Autoren, da gibt es gar nichts zu mäkeln.
Aber Philipp Roth zum Beispiel wartet bis heute vergeblich.
Es kriegt den Preis jedes Jahr nur einer, folglich gibt es jedes Jahr dreihundert Menschen, die beleidigt sind. Das ist nun einmal so, wenn ein Preis für die gesamte Weltliteratur zuständig ist.
Vor kurzem ist mit dem Echo ein anderer Preis in Verruf geraten. Sind Sie mit dessen Abschaffung einverstanden?
Ich finde das, was dort passiert ist, entsetzlich. Wir leben in einer Welt, in der man sich genau anschauen muss, wem man einen Preis verleiht. Offensichtlich haben die Echo-Fritzen das nicht getan. Es musste erst eine Ethik-Kommission feststellen, dass da antisemitische Töne belohnt worden sind. Das muss man sich einmal vorstellen. Gott sei Dank ist der Echo abgeschafft worden.
Wie sähe für Sie die ideale Jury aus?
Der Präsident wäre ich, das ist ja klar. Er hätte das Recht, vier andere Mitglieder zu berufen. Und er bleibt natürlich lebenslang Präsident, es sei denn, er wird wegen irgendwas angeklagt. Die vier anderen müssten aber alle zwei Jahre wechseln.
Das klingt ziemlich feudalistisch.
Es geht nur feudalistisch. Ich war in sehr vielen Literaturjurys. Wenn man kein strenges Regiment führt, werden falsche Entscheidungen getroffen.