Wie kam der Ex-Linke Ralph Niemeyer auf die SPD-Liste? Generalsekretärin Luisa Boos, wird jetzt bekannt, war über die Bewerbung vorab informiert. Die Parteizentrale will indes alleine für das „Versäumnis“ verantwortlich sein, den Kandidaten nicht näher geprüft zu haben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Wie kam der frühere Linken-Politiker und Ex-Ehemann von Sahra Wagenknecht, Ralph Niemeyer, auf die Landesliste der SPD für die Bundestagswahl? Diese in Teilen der Partei lebhaft diskutierte Frage klärt sich jetzt zusehends. Niemeyer selbst teilte unserer Zeitung mit, er sei am Rande eines Aschermittwochstreffens der SPD von etlichen Genossen zur Kandidatur aufgefordert worden und habe sich kurzfristig dazu entschlossen. Mit der Generalsekretärin Luisa Boos habe er „per Textnachricht kurz darüber gesprochen“ und sich dann beworben.

 

Ein SPD-Sprecher bestätigte, Boos sei von Niemeyer „über seine Kandidatur per Facebook informiert“ worden, zeitgleich zur Landesgeschäftsstelle. Diese habe dann in Absprache mit der Generalsekretärin die Prüfung übernommen, allerdings nur in formaler Hinsicht. Dass keine weitergehenden Recherchen zu dem 47-jährigen Aktivisten und Filmemacher mit bewegtem Vorleben betrieben worden seien, sei daher das „Versäumnis“ der Landesgeschäftsstelle. Vielen Delegierten des Parteitags in Schwäbisch Gmünd, die ihn wählten, war sein Hintergrund unbekannt.

Diskussion über freiwilligen Rückzug

SPD-intern war die Frage aufgeworfen worden, inwieweit die politische Spitze von der Kandidatur wusste. Boos soll dies in der Landtagsfraktion verneint haben. Die SPD-Landeschefin Leni Breymaier war nach der Wahl Niemeyers auf Distanz zu ihm gegangen. Er sei „eine schillernde Persönlichkeit mit speziellen Positionen, die ich zum großen Teil nicht teile“, sagte sie unserer Zeitung. Die Personalie hatte parteiintern lebhafte Diskussionen ausgelöst. „Ich hätte das so nicht gemacht“, meinten Kritiker mit Blick auf die Landeschefin und spielten damit auf einen Satz an, mit dem sie sich von der Reform der Abgeordnetenversorgung distanziert hatte. Nach StZ-Informationen wurde auch erörtert, ob man Niemeyer zu einem freiwilligen Rückzug von dem Listenplatz bewegen könne. Dies wäre die einzige Möglichkeit, die Liste ohne einen neuen Parteitag zu ändern.

Kandidat spricht von Missverständnis

Niemeyer sprach seinerseits von einem „Versäumnis“, nicht alle Delegierte über seine Kandidatur informiert zu haben, wie dies der Landesvorstand wohl erwartet habe. Er habe angenommen, dass er sich beim Parteitag persönlich vorstellen solle; dazu kam es aber nicht. Es liege also ein „ehrliches Missverständnis“ vor, betonte er: „Niemand hatte die Absicht, die Bewerbung geheim zu halten.“ Wenn dieser Eindruck entstanden sei, sei dies nur ihm und nicht dem Landesvorstand zuzuschreiben.

Niemeyer sagte unserer Zeitung, er wolle nicht unbedingt in den Bundestag gelangen; dies ist auf Platz 39 auch aussichtslos. Mit seiner Kandidatur wolle er „ein Zeichen setzen, dass Linke auch in der SPD ein Zuhause haben“. Er selbst sei stets überzeugter Sozialdemokrat gewesen, habe das Parteibuch aber wegen des Kurses unter den Vorsitzenden Lafontaine und Engholm zurückgegeben. Nach einem „längeren Ausflug zur PDS/Linken“ sei er nun wieder eingetreten. Mit dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz, den er seit seiner Zeit als Journalist in Brüssel gut kenne, könne sich die SPD wieder auf ihren „Markenkern“ rückbesinnen und aus der Krise finden. Dabei werde er ihm helfen, „so gut ich kann“.