Die Gewaltneigung nimmt zu, sagt Innenminister Reinhold Gall – bei den Islamisten, in der rechten wie auch in der linken Szene. Das zeigt der Verfassungsschutzbericht.

Stuttgart - Nach brisanten Themen hat der baden-württembergische Innenminister Reinhard Gall (SPD) bei der Vorstellung des neuen Verfassungsschutzberichts nicht lange suchen müssen. Nach den Messerattacken von Salafisten auf Polizisten in Bonn ist erneut die islamistische Szene in den Blickpunkt gerückt.

 

Gall sprach von einer „latenten Gefährdungslage“. Zwar gebe es keine Hinweise auf konkrete Anschlagspläne, doch bilde der Salafismus einen „Nährboden für islamistischen Terrorismus“. Bei den Krawallen in Nordrhein-Westfalen waren laut Gall auch fünf Salafisten aus dem Südwesten beteiligt gewesen. Aktivisten der rechtsextremen Gruppe „Pro NRW“ hatte eine Mohammed-Karikatur gezeigt, die Salafisten ließen sich bereitwillig provozieren.

Beate Bube, die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz, geht von etwa 500 Salafisten im Südwesten aus. Bundesweit seien es 3800. Laut Verfassungsschutz handelt es sich beim Salafismus um eine rückwärtsgewandte Strömung, die sich allein an der Frühzeit des Islam orientiert. Nur zu Lebzeiten Mohammeds und seiner Gefolgsleute sei ein reiner Islam gelebt worden, den es wiederherzustellen gelte. Diese Auffassung geht laut Verfassungsschutz einher mit der Ablehnung abweichender Meinungen und der demokratisch legitimierten Gesetze.

Bomben bauen leicht gemacht

Videobotschaften und Schriften salafistischer Prediger seien inzwischen fester Bestandteil des deutschsprachigen islamistischen Spektrums im Internet. Verfassungsschutzpräsidentin Bube präsentierte einige englischsprachige Magazine, in denen neben Artikeln zu politischen Fragen Anleitungen für Bau von Bomben und anderen terroristischen Hilfsmitteln zu finden sind. „Make a bomb in the kitchen of your mum“, lautet die Überschrift eines Artikels: „Bau eine Bombe in der Küche deiner Mutter .“

Wie groß die Gefahr aber tatsächlich ist, wussten weder Gall noch Bube zu sagen. „Wir müssen zunehmend mit Einzeltätern rechnen“, sagte der Innenminister. Mit Leuten also, die sich vor dem Internet selbst radikalisieren, ohne in feste Gruppen oder gar Terrorstrukturen eingebunden zu sein. Die Zahl salafistischer Websites habe zuletzt deutlich zugenommen, berichtete Gall. Doch nicht alle Salafisten seien unmittelbar gewaltbereit.

Schock durch Zwickauer Terrorzelle

Das zweite große Thema der Verfassungsschützer im vergangenen Jahr war die Zwickauer Terrorzelle – eine rechtsextremistische Mörderbande, die jahrelang unentdeckt geblieben war. Die Behörden machten keine gute Figur, vor allem die Verfassungsschützer in Thüringen stehen im Zwielicht.

Für Innenminister Gall steht außer Frage: „Die Gefahr durch den Rechtsextremismus ist größer geworden.“ Für die Verfassungsschützer im Südwesten sei dies Anlass genug, den gewaltbereiten Rechtsextremismus schärfer zu beobachten. 690 Personen gehörten zu dieser Szene, davon 450 Skinheads und 190 „Autonome Nationalisten“. 35 rechtsextremistisch motivierte Gewalttaten wurden im vergangenen Jahr registriert, im Jahr zuvor waren es 39. Als besonders schwere Straftat hob Gall den Brandanschlag auf junge Menschen in einem Gartenhäuschen in Winterbach (Rems-Murr-Kreis) hervor. Das gesamte rechtsextremistische Potenzial beläuft sich in Baden-Württemberg auf etwa 2000 Personen. Das einzige Segment, das deutlich wachse, seien die Neonazis., vor allem die „Autonomen Nationalisten“. Äußerlich geben sich diese eine eher linksradikale Anmutung, etwa mit Kapuzenpullovern oder sogar Palästinensertüchern.

Sie pflegen aber ein rechtsextremistisches Weltbild ,und sie sind militant. Daneben tummeln sich Aktivisten, die sich „Die Unsterblichen“ nennen. Das ist eine neue Agitationsform der rechten Szene, bei der sich die Beteiligten mit weißen Masken und schwarzen Klamotten ausstatten und mit Fackeln und Plakaten durch die Städte marschieren. Sogar beim Konstanzer Fastnachtsumzug tauchten sie auf. die NPD stagniert hingegen weiterhin bei etwa 460 Mitgliedern. Im linksextremistischen Spektrum stieg die Zahl der gewaltorientierten Personen von 590 im Jahr 2010 auf 690 im vergangenen Jahr. 88 Gewalttaten wurden registriert. Gall sprach von einer zunehmenden Brutalität in der Szene.