Olafur Eggertsson hat dem Vulkan Eyjafjallajökull ein Museum gebaut, der 2010 wochenlang den europäischen Flugverkehr lahmlegte.

Stuttgart - Er musste zweimal hinschauen, um die Wolke auf dem Foto von dem Vulkan wiederzuerkennen, das am 14. April 2010 um die ganze Welt ging. Es zeigte schwarze und weiße Wolkenberge. Sie stapelten sich über dem Gletscher und warfen einen langen Schatten auf seine Farm Thorvaldseyri.

 

Olafur Eggertsson hatte sich nichts dabei gedacht, als er am Morgen jenes Tages seine Digitalkamera zückte. Er konnte kaum etwas erkennen, so dicht war der Qualm, der alles verdunkelte und ihn zwang, eine Atemschutzmaske überzustreifen. Er wollte nicht glauben, was er sah. Darum drückte er auf den Auslöser. Von seinem Bild blieb nicht viel übrig. Mitarbeiter einer Nachrichtenagentur haben es stark nachbearbeitet. Der Himmel über der Wolke leuchtete nun azurblau. Der Gletscher darunter schimmerte majestätisch im Licht einer imaginären Sonne.

Wenn man es heute sieht, denkt man nicht mehr daran, dass diese Wolke wochenlang den internationalen Flugverkehr lahmlegte. Man denkt an einen Hollywoodkatastrophenfilm.

Eggertsson lebt in einem Pulverfass

Heute hängt das Bild in einem Museum am Fuß des Gletschers, auf dem Grundstück seiner Farm. Olafur Eggertsson hat einen Geräteschuppen dafür entrümpelt und die Wände weiß gestrichen. Es gibt ein kleines Kino mit 55 Plätzen, eine Fotoausstellung und Souvenirs aus Vulkanasche.

Auf dem Weg über die Nationalstraße 1, ungefähr zwei Autostunden östlich von Reykjavik, hätte man es beinahe übersehen. Von außen sieht es wie ein Toilettenhäuschen aus. Nur das Bild einer Aschewolke auf der Fassade deutet an, dass man im Inneren eine Ahnung davon bekommt, was es für die Menschen bedeutet, im Schatten eines Vulkans zu leben. Olafur Eggertsson hat dem Eyjafjallajökull ein Denkmal gesetzt. Die Geschichte dieses Museums wirft ein Schlaglicht auf die Mentalität der Isländer. Es sind Menschen, die die Natur gelehrt hat, sich an jedes Wetter und an jede Widrigkeit anzupassen - frei nach dem Motto: "Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade daraus."

Einer von ihnen ist Olafur Eggertsson, 58. Er bewirtschaftet diesen Hof in der dritten Generation seiner Familie. Tausend Hektar, 200 Kühe, vollautomatische Melkanlagen. Er sagt, er treibe weder Sport noch gehe er in die Kirche oder ins Kino. "Der Hof ist mein Leben." Natürlich weiß er um die Gefahr vor seiner Haustür, nur sechs Kilometer Luftlinie entfernt. Er lebt neben einem Pulverfass, wenn man so will. Und dennoch bekommen seine Augen einen versonnenen Glanz, wenn sein Blick von den schneebedeckten Gipfeln des Gebirges zu den bemoosten Klippen wandert, die jetzt noch grüner als vor dem Vulkanausbruch leuchten - die Asche war fruchtbarer als jeder Dünger.

Wie Helden aus einem Hollywoodfilm

Der Gletscher sei ein Schatz, sagt er, die schönste Kulisse, die man sich vorstellen könne. Es sei der Respekt vor der Natur gewesen, der es ihm verboten habe, vor dem Vulkan zu fliehen. "Sie hat das letzte Wort." Eggertsson ist auf dem Trecker angerollt, ein Mann mit einem Rauschebart in einem wettergegerbten Gesicht und Schwielen an den Händen. Er formuliert jeden Satz so leise und behutsam, als habe er Angst davor, den schlafenden Berg vor seiner Haustür erneut zu wecken.

Erste Erdstöße hatten Wissenschaftler schon im Januar 2010 registriert. Eggertsson sagt: "Da wussten wir, es braut sich was zusammen." Ihre Siebensachen packten seine Frau Gudny Valberg und die vier Kinder jedoch erst zwei Tage, bevor der Vulkan am Morgen des 14. April 2010 Gesteinsbrocken so groß wie Schafe spuckte und ein Anruf von der Sicherheitsbehörde kam: alle Bewohner müssten evakuiert werden.

Olafur Eggertsson selbst aber blieb. Er macht eine lange Pause, wenn man ihn fragt, ob er keine Angst gehabt hätte. Er sagt dann, er habe schon 25 Vulkanausbrüche in Island miterlebt, wenn auch nur aus der Ferne. Sein Blick wandert zu der Staumauer, die nach dem Vulkanausbruch entstand. Er hat verdammtes Glück gehabt, vielleicht wird ihm das erst jetzt bewusst. Das Wasser des geschmolzenen Gletschers machte einen Bogen um sein Gehöft. Ein reißender Sturzbach.

5000 Touristen haben das Museum schon besucht

Man sieht ihn in einem Kurzfilm, den eine isländische Filmgesellschaft über Olafur Eggertsson gedreht hat. Er und seine Frau erscheinen darin wie Helden aus einem Hollywoodfilm. Im Angesicht der Katastrophe trinken sie Café. Islands berühmtester Landwirt grinst verschmitzt, wenn man ihn darauf anspricht. Er sagt: "Ach, die Bilder von den Feuerfontänen stammen von einem früheren Ausbruch im März, an einer weiter entfernten Stelle. Der war bloß was für die Medien."

5000 Touristen haben das Museum schon besucht, seit es Olafur Eggertson im April eröffnet hat - nicht nur aus Liebe zur Natur. Vor einem Jahr lag die Asche als dicker schwarzer Film auf Dächern und Fensterbretter. Jetzt kann man sie in allen möglichen Variationen kaufen, als Seife oder im Glas, umgerechnet sechs Euro das Stück. Das Geschäft mit dem Vulkan boomt, auch in anderen Souvenirläden. "Aber unsere Asche ist feiner", behauptet Olafur Eggertsson, und er muss es wissen. Der Vulkan hat ihn gelehrt, wie man Asche mit Asche macht.

Reiseziel Eyjafjallajökull

Vulkan: Der Eyjafjallajökull ist Islands sechstgrößter Gletscher. Er liegt im Süden der Insel und bedeckt 78 Quadratkilometer. Der Vulkan in seinem Inneren ist schon fünfmal ausgebrochen, zuletzt am 14. April 2010. Damals schleuderte er gewaltige Mengen an Asche in die Atmosphäre und legte den Flugverkehr in Europa lahm.

Museum:
Inzwischen wird der Vulkan von der Tourismusbranche vermarktet. Ein neu eröffnetes Museum am Fuß des Eyjafjallajokülls hat schon nach zwei Monaten über 5000 Besucher gezählt (www.thorvaldseyri.is/en).

Flug: Von Deutschland fliegt Air Berlin noch bis zum Spätsommer regelmäßig nach Reykjavik, unter anderem von Berlin, Stuttgart, München, Düsseldorf und Hamburg.