Was Facebook kann, was es nicht kann und was es mit einem anstellt, wenn man nicht fürchterlich aufpasst.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Facebook ist furchtbar gefährlich. Nicht, weil es eine Datenkrake ist. Nicht, weil die Firma des sozialautistischen Milliardärs Mark Zuckerberg beim Börsengang Kleinanleger abgezockt hat. Und auch nicht, weil nordafrikanische Despoten seit Erfindung des sozialen Netzwerks verstärkt um ihre Posten bangen müssen. Facebook ist gefährlich, weil es Lebenszeit stiehlt und Aufmerksamkeit absaugt. Wenn man nicht aufpasst.

 

Die Freundin ist mittlerweile aus dem sozialen Netzwerk ausgestiegen, weil sie sagt, dass Facebook alle Eigenschaften einer Droge vereint. Hat sie früher eine Zigarette geraucht, wenn sich zwischen zwei Terminen ein gnädiges Zeitfenster auftat, starrt sie heute auf ihr Smartphone, um zwei freie Minuten dahingehend zu nutzen, vermeintlich weltbewegende Neuigkeiten im Passierstrom der Statusmeldungen zu verfolgen. Zumindest bis vor Kurzem. Denn jetzt ist sie offline, weil sie ihrem Gehirn in freien Minuten lieber Kurzurlaub gewährt.

Endlich wieder Kontakt mit verloren gegangenen Menschen

Ich dagegen bleibe meinen vermeintlichen Freunden bei Facebook aus verschiedenen Gründen treu. Zum einen arbeite ich an einer geheimen wissenschaftlichen Studie zum unterschätzten Fotokunstsujet deutsches Mittag- oder Abendessen, gerne verfremdet durch diverse fetzig-verrückte iPhone-Fotofilter: das Kotelett mit Beilage im Retrorahmen im Wandel der Zeiten.

Zum anderen ist Facebook ein wunderbares Werkzeug, um mit verloren gegangenen Menschen in Kontakt zu treten. Mit dem besten Schulfreund, der mittlerweile in Peking arbeitet, halte ich so nach Jahren wieder Kontakt und versorge ihn mit deutschem Liedgut, damit er mittels anständiger Bassware die chinesische Mauer zum Wackeln bringen kann. Gefällt mir, gefällt ihm. Manchmal rettet Facebook sogar Leben. Zumindest fast. Kürzlich wurde der Roller eines Freundes von einem räudigen Kojoten gestohlen. Nach einem Post von ein paar heimlichen Netzwerkherrschern, die über Tausende von digitalen Kumpel verfügen, gingen erste Hinweise auf das Gefährt ein, bevor ein guter Mensch das gute Stück schließlich in der Stuttgarter Innenstadt sicherstellen konnte. Der Dieb baumelt längst am analogen Laternenpfahl.

Direktes Feedback auf Artikel

Eine weitere Eigenschaft von Facebook hat mein Leben ebenfalls verändert. In meiner Tätigkeit als Journalist bekomme ich plötzlich Feedback auf einen Artikel. Endlich eine freundliche, direkte Ansprache durch höfliche Mitmenschen („So ein dummes Geschreibsel, Freundschaft gekündigt!“). Endlich wird man mit Fotos von einem EM-Roadtrip in die Ukraine belästigt, die deutlich machen, dass Carsharing das mobile Esperanto dieser Tage ist.

Nur eines sollte man Facebook auf keinen Fall antun: es vernachlässigen. Im Sommerurlaub hatte ich mir digitale Abstinenz verordnet. Nach der Sabbatphase fiel der Wiedereinstieg höllisch schwer. Kettenwitze und weltanschauliche Missionierung via Posts waren plötzlich weit weg. Bis mich der Alltag ganz schnell wiederhatte. Längst bin ich wieder um jedes Absaugen von Restaufmerksamkeit dankbar. Der Passierstrom der Nichtigkeiten lenkt einfach zu schön von der persönlichen Belanglosigkeit ab.