Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)
Seit 2007 ist Paul Witt, Rektor der Hochschule für Öffentliche Verwaltung in Kehl. Der Professor für Kommunales Wirtschaftsrecht spricht über die Herausforderungen für die Studenten der „Bürgermeisterschmiede“ und die große Nachfrage nach der Ausbildung.
Herr Professor Witt, was macht die Verwaltungshochschule und was macht sie aus?
Wir bilden den Nachwuchs für den gehobenen Verwaltungsdienst aus, dem Rückgrat der kommunalen Verwaltung in Deutschland. Wir werden oft als Bürgermeisterschmiede bezeichnet. Zu Recht. Rund 85 Prozent aller Bürgermeister in Baden-Württemberg haben die Verwaltungshochschulen in Kehl oder in Ludwigsburg besucht.

Gehobener Dienst heißt, Sachbearbeiter, Amtsleiter oder Kämmerer?
Je nach Größe der Gemeinde. Und viele von ihnen steigen dann in den höheren Dienst auf, zum Beispiel als Bürgermeister, wenn sie sich zur Wahl stellen und sie gewinnen. Besoldungsmäßig reicht der gehobene Dienst von A 9 bis A 13, dann fängt der höhere Dienst an.

Die Besonderheit der Verwaltungshochschule ist, dass die Bachelor-Studenten Geld vom Land bekommen, rund 1000 Euro. Wieso?
Sie sind Beamtenanwärter auf Widerruf und machen ihr Studium bei uns und teilweise in der Praxis. Das Bachelor-Studium hat also duale Züge, aber wir sind keine duale Hochschule.

Das Bachelorstudium ist ein sogenanntes internes Studium für diejenigen, die schon einen Platz im gehobenen öffentlichen Dienst sicher haben. Sie bieten aber auch externe Studiengänge an.
Ja, drei Masterstudiengänge: „Europäisches Verwaltungsmanagement“, zusammen mit der Hochschule in Ludwigsburg; Berufsbegleitend den Masterstudiengang „Public Management“ und den Deutsch-Französischen Masterstudiengang „Management von Clustern und regionalen Netzwerken“.

Das klingt sehr gewichtig und wissenschaftlich. Muss der Bürgermeister von heute mit solchen Kompetenzen gespickt sein?
Er muss vor allem gewählt werden. Das Amt wird durch eine demokratische Wahl besetzt und die Bürger in Baden-Württemberg wählen in der Regel einen Kandidaten oder eine Kandidatin mit Verwaltungserfahrung.

Wäre es nicht besser, wenn ein Bürgermeisterkandidat ein Verwaltungsfachmann sein müsste, bei den vielen Vorschriften und Gesetzen und zunehmend auch EU-Richtlinien, die ein Gemeindechef kennen muss?
Das wäre eine unzulässige Einschränkung der Volkssouveränität. Es können auch Nicht-Verwaltungsfachleute regieren, es schadet aber in der Tat nicht, wenn sie Fachkenntnisse haben. In kleinen Gemeinden ist das sogar wichtiger als in großen dort haben die Bürgermeister und Oberbürgermeister ihren fachlichen Unterbau. Aber auch sie sollten sich davon nicht abhängig machen und eigene Sachkompetenz erwerben. Das Amt ist sehr viel schwieriger geworden als früher.

Es gab aber doch – nicht nur in Rickenbach – einige Erfahrungen mit Bürgermeistern, die eine stärkere Verpflichtung auf Fachkompetenz geradezu nahelegen.
Noch einmal. Wer Bürgermeister wird, entscheidet der Wähler, nicht eine Hochschule. Und der Anteil der Fälle, in denen Bürgermeister und Gemeinden – aus unterschiedlichen Gründen – so über Kreuz gerieten, dass eine Trennung nötig wurde, ist sehr gering. Eine Handvoll im Vergleich zu fast 1000 Bürgermeistern im Land.

Aber hat es sich nicht gezeigt, dass man unfähige Amtsinhaber nicht so leicht los wird?
Über die Möglichkeit Bürgermeister abzuwählen, kann man reden. Aber man muss sich über das Risiko klar sein, dass Bewerber sich dann überlegen, ob sie kandidieren. Die Hürden müssen schon relativ hoch angesetzt werden. Ein Bürgermeister muss auch mal was Unpopuläres durchsetzen können, ohne dass er gleich abgesetzt wird.

Die Verwaltungshochschule Kehl hat vor 40 Jahren mit 186 Studenten angefangen, jetzt sind es rund 1000. Ist das ein weiteres Indiz für die Professionalisierung der Politik?
Es bestätigt auf jeden Fall, dass wir eine wichtige Arbeit für die Verwaltung machen, die Nachfrage ist groß und unsere Absolventen bekommen alle eine gute Stelle, es geht nicht nur um Bürgermeister. Dass wir eine herausragende Arbeit leisten, hat die Evaluierung der Hochschule vor zwei Jahren gezeigt.

Evaluiert wurde, weil die Landesregierung prüfen ließ, ob zwei Verwaltungshochschulen im Land nicht zu viel sind. Ist die Fusion von Kehl und Ludwigsburg jetzt vom Tisch?
Davon gehe ich aus. Man hätte im übrigen ja lediglich eines der beiden Rektorate eingespart. Dafür aber neue Kosten durch Reisen von Gremien erzeugt, die die Ersparnisse wieder aufgefressen hätten. Die Regierung hat sich überzeugen lassen, dass sich die beiden Hochschulen ergänzen und in Zukunft noch stärker als bisher zusammenarbeiten werden. Ludwigsburg hat mit der Ausbildung für Finanz- und Steuerverwaltung sowieso ein etwas anderes Profil als Kehl.

Grün-Rot ist mit dem Motto „Bürgerbeteiligung“ angetreten. Inwiefern tangiert das auch die Ausbildung von Beamten des gehobenen Dienstes?
Wir haben längst reagiert und schon vor dem Regierungswechsel das Thema „Bürgerbeteiligung“ im Curriculum gehabt. Es spielt eine große Rolle im Grundstudium. Neu gibt es einen Lehrgang zur Bürgerbeteiligung mit zehn Modulen.

Ist es schwerer geworden, Nachwuchs für den Beamtendienst zu finden?
Es könnte schwerer werden, denn die Einstiegsvergütung für Anwärter ist um vier Prozent gekürzt worden, das macht den Beruf nicht attraktiver. Man sollte bedenken, dass es um die guten Leute einen Wettbewerb zwischen Verwaltung und Wirtschaft gibt. Aber die Verwaltung braucht für die schwierigen Aufgaben gutes Personal.