Für die Verteidigung ist die Sache klar: Kachelmann muss freigesprochen werden. Sie werfen dem mutmaßlichen Opfer "Kaltschnäuzigkeit" vor.

Nachrichtenzentrale: Nadia Köhler (nl)

Mannheim - Als das Publikum klatscht, ist der Richter verärgert. Man möge diese Beifallbekundungen unterlassen, sagt der Vorsitzende Richter Michael Seidling. "Wir sind hier ja schließlich nicht im Theater", pflichtet ihm sein Richterkollege bei. Doch das was an diesem Verhandlungstag im Vergewaltigungsprozess gegen den Wettermoderator Jörg Kachelmann geboten wird, erinnert tatsächlich in einigen Punkten an eine Theateraufführung.

 

Da ist zum einen der betont gut gelaunt und zuversichtlich auftretende Angeklagte, Jörg Kachelmann. Eine Viertelstunde vor Verhandlungsbeginn sitzt er bereits auf der Anklagebank. Mit seiner Verteidigerin Andrea Combé schäkert er wie mit einer guten Freundin und auch dem strengen Hamburger Verteidiger Johann Schwenn ringt Kachelmann immer wieder ein fröhliches Lachen ab. Und da ist zum anderen die Nebenklägerin, eine Radiomoderatorin und ehemalige Geliebte Kachelmanns, die ihn beschuldigt sie im Februar 2010 mit einem Küchenmesser in der Hand vergewaltigt zu haben. Die 37-Jährige betritt erst Sekunden vor Verhandlungsbeginn den Raum, setzt sich mit dem Rücken zum Publikum und vermeidet jeglichen Blickkontakt mit ihrem Exfreund oder dessen Verteidiger. Kachelmann dagegen schaut interessiert in die Runde, wenn er nicht gerade mit seinem I-Pad hantiert. Das mutmaßliche Opfer aber blickt auf den Boden und schüttelt immer wieder den Kopf.

Dass sie dies während der nächsten Stunden sehr häufig tut, liegt an der Tagesordnung: die Verteidigung hält ihr Plädoyer. Daher muss es eines ihres vorrangigsten Ziele sein, die Glaubwürdigkeit dieser Hauptbelastungszeugin zu erschüttern. Wer erwartet hatte, dass der scharfzüngige Johann Schwenn, der in diesem Verfahren schon öfters den großen Auftritt gesucht hat, diese Aufgabe übernehmen würde, der wurde zunächst einmal enttäuscht. Denn Schwenn überlässt es einer Frau, nämlich Andrea Combé, die Zeugin in einem dreistündigen Plädoyer zu zerpflücken.

"Wir sind ja schließlich nicht im Theater"

Combé geht dabei zunächst behutsam analytisch zur Sache, indem sie detailliert darstellt, warum nach Ansicht der Verteidigung keine am Tatort gesicherte Spur für die Aussage der Nebenklägerin spreche. Weder die DNA-Spuren auf Bettdecke, Handtuch, Tampon, Küchenmesser oder Kleidung seien "objektiv tatbezogene Beweismittel, die die Aussage der Nebenklägerin stützen und die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation zu Fall bringen können." Wenn die Staatsanwaltschaft in ihrem Plädoyer anderes behauptet habe, so verstoße sie damit "eklatant gegen den Grundsatz: in dubio pro Reo", sagt Combé. Auch die Verletzungen an Hals und Oberschenkel beweisen, so Combé, nicht, dass Kachelmann und seine Ex-Geliebte in dieser Nacht nicht einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gehabt hätten. Die Aussage der Nebenklägerin hält Combé für nicht "im Geringsten" belastbar. Die 37-Jährige habe keine zuverlässige Erinnerung an das Tatkerngeschehen - also an die Vergewaltigung. Die Schilderung der Vergewaltigung bleibe oberflächlich und vage und nur bedingt nachvollziehbar. Dafür gebe es nach Ansicht der Verteidigung auch nach Anhörung aller Gutachter keine nachvollziehbare Erklärung. "Das lässt auf eine nicht erlebnisbezogene Schilderung schließen", sagt Combé.

Die Verteidigerin kommt zu dem Schluss, dass eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation in diesem Verfahren nur auf den ersten Blick bestehe. Es sei vielmehr so, dass die Nebenklägerin Jörg Kachelmann aus "Hass und Rache" bewusst mit einer Falschaussage belastet habe. Kachelmann habe die 37-Jährige als sie ihn mit seinen zahlreichen Liebschaften konfrontiert habe, nach einer elfjährigen Beziehung einfach "wie ein Stück Dreck" liegen lassen. Daraufhin habe die Nebenklägerin nach dem Motto gehandelt: "Du hast mich vernichtet, dann vernichte ich Dich auch."

Am Ende ihres dramaturgisch stark aufgebauten Vortrags, geht die Verteidigerin sogar soweit, dem mutmaßlichen Opfer, das während der Verhandlung in drei Punkten der Lüge überführt wurde, "Kaltschnäuzigkeit" und "schauspielerisches Talent" vorzuwerfen. "Sie kann manipulativ vorgehen und sich auf neue Situationen einstellen. Einem Straftäter würde man eine hohe kriminelle Energie bescheinigen." Mit diesen bissigen Sätzen beendet Combé ihren Auftritt und erhält dafür den bereits erwähnten Beifall der Zuschauer.

Johann Schwenn bleibt eigentlich nur noch der Epilog. Der dauert dann eine Stunde und zehn Minuten. Er ist eine Art Generalabrechnung mit der Presse und eine Art Grundsatzrede zu den Aufgaben der Staatsanwaltschaft, der Richter und der Sachverständigen. Die Staatsanwaltschaft habe es der Nebenklägerin ermöglicht, "eine Falschaussage ohne jedes Risiko" zu erheben. Am Ende appelliert er an die Kammer, sich nicht zur "Rächerin enttäuschter Frauen" zu machen. Dies hier sei kein "Sittengericht". Als Privatleute dürften die Richter über Kachelmanns Sexualleben denken, was sie wollten, aber einvernehmlicher Geschlechtsverkehr gehe sie schlichtweg nichts an. Schwenn forderte daher einen Freispruch für seinen Mandaten, Jörg Kachelmann, der mit "Nein, danke" auf das letzte Wort verzichtet.