Der mutmaßliche Täter in dem tödlichen Familiendrama von Unterensingen hat kurz vor seinem Tod noch eifrig auf Facebook sein Herz ausgeschüttet. Es ist die verstörende Chronologie einer Eifersuchtstat.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Unterensingen - Das Foto zeigt seinen ganzen Stolz. Breitbeinig sitzt er auf der Treppe, vor sich seine Frau, davor die achtjährige Tochter. Der vierjährige Sohn schmiegt sich von links an seine Mutter. Alle lächeln. Die Kinder sind süße Knöpfe. Und der Vater umfasst seine Lieben wie ein großer starker Beschützer.

 

Es ist keine drei Monate her, da hat der Mann das Familienporträt, entstanden beim Shooting mit einem Profifotografen, auf seiner Facebook-Seite (Stand 21.April 2017) gepostet. Seht her, wir sind eine Bilderbuchfamilie, soll es sagen. Und von einer Bilderbuchfamilie ist auch am Freitagmorgen in Unterensingen (Kreis Esslingen) die Rede. Keiner kann es fassen, dass die Polizei nun zwei Kinderleichen aus dem Wohnhaus tragen lässt. Es ist das grausame Ende eines Familiendramas, an dessen Vorgeschichte der Vater und mutmaßliche Täter auf Facebook, dem Bilderbuch der heutigen Zeit, nicht nur seinen Freundeskreis, sondern das weltweite Netz auf wohl beispiellose Weise teilhaben lässt.

„Beziehungsstatus? Leider zu Ende“

Am frühen Freitagmorgen, zwischen dem bis dahin unentdeckten Tod seiner Kinder und seinem tödlichen Sprung von einer Brücke, postet der Mann in kurzer Folge die Chronologie seines Eifersuchtsdramas. „Beziehungsstatus? Leider zu Ende“, schreibt er. Anonyme „Fresszettel“, die er im Briefkasten gefunden habe und die er zum Beweis ebenfalls postet, hätten ihm die Augen geöffnet. Seit fünf Monaten habe seine Frau eine Beziehung. Er veröffentlicht das Protokoll eines verräterischen Whatsapp-Dialogs und ein Bild, auf dem sie an den Lippen eines anderen hängt. Er selbst sieht sich als ahnungsloses Opfer, das gleichzeitig treudoof mit dem Sohn in der Zirkusvorstellung sitzt – dazu ein Selfie.

Rücksichtslos werden die Kinder über ihren Tod hinaus instrumentalisiert. „Jetzt ist es aus“, stellt der Mann fest und postet ein Bild der beiden. „Die Vorstellung, dass ich unsere Kinder nicht mehr jeden Tag sehe, dass ein anderer Mann sie anfasst, sie ins Bett bringt, sie in den Schlaf streichelt, bringt mich um den Verstand.“

Freitod mit Soundstrack

Schuld an allem, das stehe für ihn fest, sei seine Frau. „Sie hat mir alles genommen. Unsere Familie. Unsere Liebe. Unsere Zukunft.“ Zynisch führt er dann mit einem Youtube-Link zu Van Halens „Jump“ zum eigenen Tod über. Offenbar hält er das für einen „Abgang mit Stil“. Den Streifen mit Morgan Freeman hat er am Ostermontag in einem Esslinger Kino gesehen. „Platz 53, Reihe acht“ steht auf einer Eintrittskarte.

Die ersten Leser seiner Einträge können die Andeutungen zunächst nicht verstehen. Sie posten Emojis mit Träne im Auge. „Hey, hey, atme erst einmal ganz tief durch“, rät eine Facebook-Freundin. „Ich bin traurig, dass eure Familie in der gewesenen Struktur zerbricht“, schreibt eine andere, die sichtlich irritiert die Chronik zur Kenntnis nimmt. All das „so ins Netz zu stellen und für jeden zugänglich zu machen, ist nicht okay.“

Trauer und Wut

Erst dann sickert die Nachricht von dem Drama durch und wird mit den Einträgen des Mannes in Verbindung gebracht. Von tiefer Trauer ist nun die Rede und von Wut: auf den Egoismus, den einen Menschen dazu bringt, unschuldige Kinder, die ihm vertrauen, mit in den Tod zu nehmen. „Ein Abgang ohne Stil“, meint einer.