Da nützte alle Gegenwehr nichts: Am schmotzigen Donnerstag haben die Narren die Bezirksrathäuser in Feuerbach und Weilimdorf gestürmt und dort die Regentschaft übernommen. Am Samstag zog beim Straßendapp ein knallbunter Lindwurm singend und tanzend durch Feuerbach.

Stuttgarter Norden - Trotz Widerstandes haben sie es am Ende doch wieder geschafft: Die Narren stürmten am „schmotzigen Donnerstag“ die Bezirksrathäuser in Feuerbach und Weilimdorf und haben dort die Regentschaft übernommen. I

 

In Weilimdorf heizt Volker Blanke von der Narrenzunft Weilemer Hörnleshasa schon mal die Stimmung auf: „Seid ihr bereit“ schreit er dem närrischen Volk entgegen. „Wir müssen die Kasse plündern und bis Aschermittwoch ausgeben.“ DJ Michael legt das passende Lied dazu auf: „Wir wollen wieder feiern.“ Also auf geht’s. Der Löwenplatz ist ziemlich voll. Heuler-Hexen aus Filderstadt Sielmingen, Fellbacher Höhla Bära, Remsecker Kelter-Hexen, das Regentschaftspaar der Karnevalsgesellschaft Stuttgarter Rössle und viele weitere Delegationen aus anderen Narrenhochburgen sind gekommen. Nicht nur mit der musikalischen Unterstützung der First Guggen Band Stuttgart wird ab 17 Uhr zum Sturm aufs Rathaus geblasen. Es gibt sogar Hilfe von ganz oben. Der Wind – der teilweise stürmische Ausmaße annimmt – will den Narren helfen, die Bezirksvorsteherin aus ihrem Amtssitz zu fegen. Doch die leistet massiven Widerstand und mag ihren weichen Sessel im Bezirksrathaus nicht räumen. Stattdessen wirft sie Möhren herunter auf die närrische Schar.

„Hello Frau Zich, come out of your town hall“

„Hello Frau Zich, come out of your town hall“, sagt ein Mann mit Donald-Trump-Maske. „Sie haben sicher kein Visum und sind illegal hier.“ Oh my God! Die eher harmlosen Hörnleshasa werden nun unterstützt von einem „Trump“eltier: „Make Fasching great again“ lautet auf dem Löwen-Markt das Motto. Vor so viel närrischen Irrsinn muss auch Ulrike Zich am Ende kapitulieren. Sie rückt den Schlüssel raus und rockt mit dem Männerballett der Hörnleshasa den Löwen-Markt. Die stimmen sogar ein um einen Tag verspätetes Geburtstagsständchen für ihre Bezirksvorsteherin an.

In Feuerbach versucht die stellvertretende Bezirksvorsteherin Susanne Ramp den Chefsessel und das Stadtkässle ihrer erkrankten Chefin Andrea Klöber vor der heranstürmenden Narrenzunft zu retten. „Schultes, gib dr Schlüssel raus! Mir wollet rein in dieses Haus!“, ruft der Bock der Narrenzunft auf dem Biberbrunnen stehend hinauf zum Rathausfenster. Doch Ramp wiegelt ab. So wichtige Geschäfte könnten die Jecken nicht erledigen. „Das kann doch jedes Kind“, schallt es zurück. Und prompt kommt der erste Vorschlag, den die Narren in ihrer Amtszeit umsetzen wollen. Nachdem das Hallenbad gesperrt ist, muss eine Alternative her: „Wer schwimma will zu früher Stond, goht halt zom Roser, des isch gsond, kraults Feuerbächle nauf ond nonder, des macht im Winter bsonders munter.“

In Feuerbach tragen die Rathaus-Mitarbeiter Feinstaub-Schutzanzüge

Und auch gegen den Feinstaub haben die Narren schon ein Mittel gefunden: „Zudem hat der Narr parat, ein Feinstaub-Lösungsapparat: am Bülowturm ganz obe na, baut mr einen Feinstaubsauger dra!“ So richtig überzeugt zeigt sich Susanne Ramp allerdings nicht. Sie trägt genauso wie die Mitarbeiter des Bezirksamtes Schutzanzüge – nicht nur, um die Narren fernzuhalten, sondern auch, um den Feinstaub nicht zu nah an sich heran zu lassen. Das gelingt zunächst auch. Ramp schlägt sich wacker, versucht die Narren und deren zahlreiche junge Schützlinge mit Bonbons zu bestechen, damit die Helferschar der Jecken schrumpft. Doch die verkleideten Mädchen und Buben lassen sich nicht von ihrem Ziel abbringen. Sie stecken die Süßigkeiten in ihre Taschen und feuern weiter den Bock, seine Waschweiber, Gassafeger, Wolfskehlen und Schaffle an, bis schließlich das Rathaus ganz in Narrenhand ist.

„Mei liebe Frau Schultes, wir wollen dich loben, für die weise Entscheidung em Rathaus dort droben“, ruft der Bock, tanzt mit Susanne Ramp den Bürgermeisterwalzer und übernimmt die Stadtkasse. Darin befinden sich Unmengen von Süßigkeiten, die er an die Kinder verteilt, die ein Sprüchle aufsagen, ein Lied vorsingen, ein Gedicht vortragen oder einen Witz erzählen. Der Andrang ist riesig, die Süßigkeiten machen es möglich.

Beim Straßendapp schwingen Passanten das Tanzbein

Großer Andrang herrscht auch am Samstag beim Straßendapp in Feuerbach. Bevor man die Narren sieht, hört man sie. Paukenschläge, Schlagzeugwirbel und Trompetenfanfaren hallen durch die Straßen, einige Augenblicke später biegt der knallbunte Zug, angeführt vom wild herumhüpfenden Bock der Narrenzunft Feuerbach, auf die Stuttgarter Straße ein. Passanten, die eigentlich nur kurz ihre Einkäufe erledigen wollten, mischen sich unters närrische Volk und schwingen selbst das Tanzbein. Begeistert sind auch die Kinder. Manche von ihnen haben sich selbst verkleidet und machen nun große Augen, als Waschweiber, Hörnleshasa, Wolfskehlen, Felben und all die anderen Figuren an ihnen vorbeiziehen. Einige der Kinder zucken ein wenig zusammen, wenn einer der Narren näherkommt, sich mit dem Fell an ihnen reibt oder ihnen über die Haare streicht. Der Schrecken ist schnell vergessen, wenn Süßes den Besitzer wechselt.

Auf der Klagenfurter Straße tobt nicht der Bär, sondern die Schlümpfe des Harmonika Orchesters Feuerbach. Allen voran der Dirigent Jürgen Kutzmutz, der Schlager und natürlich auch das Schlumpflied intoniert. Obwohl die Uhr noch nicht einmal Zwölf geschlagen hat, ist das gesamte Orchester blau – dank entsprechender Schminke freilich nur im Gesicht. Orangene Farben dominieren bei den Böblinger Lombamenscher. Sie haben sich ihre Kostüme aus Sachen gebastelt, die andere wegwerfen: alte Klamotten, Kronkorken, Bierdeckel, Plastiktüten. Eine der Verkleidungen von Nadira Kretschmer hängt sogar in der Ausstellung „Die Schwaben, Mythos und Marke“ im Alten Schloss. „Wir kommen immer wieder gern zum Straßendapp. Hier können wir uns unters Volk mischen und alle machen super mit“, erzählt Kretschmer. Das kann Jan-Erik Klengel nur bestätigen. Der junge Mann lebt in der Nähe von Düsseldorf, am Wochenende ist er zu Gast in Stuttgart. „Ich wusste gar nicht“, sagt er verwundert, „dass die Schwaben so toll Karneval feiern können“.