Ein gut gedämmtes Haus braucht weniger Heizenergie. Doch vor allem Polystyrol als Dämmstoff ist wegen seiner Brennbarkeit in die Kritik geraten.

Stuttgart - Vor gut einem Jahr gelangten zwei brennende Müllcontainer im niedersächsischen Delmenhorst zu trauriger Berühmtheit: Die Brandhitze reichte aus, um die gedämmte Fassade eines Hauses zu entzünden. Nach Augenzeugenberichten soll sich das Feuer rasend schnell ausgebreitet haben – am Ende waren fünf Mehrfamilienhäuser der Wohnanlage in Flammen aufgegangen.

 

Mittlerweile sind weitere Fälle dieser Art bekannt geworden. Im Fernsehen (NDR) wurde Ende vergangenen Jahres ein Film über einen Versuch in der Materialprüfanstalt Braunschweig ausgestrahlt, bei dem die Flammen aus einem brennenden Zimmer vom Fenster aus auf eine gedämmte Fassade übergingen. Der Versuch musste nach acht Minuten abgebrochen werden, weil er außer Kontrolle zu geraten drohte: Das Fassadenmaterial schmolz und brannte lichterloh, zudem bildetet sich dicker, schwarzer und zudem giftiger Rauch.

Brennbares Polystyrol

In allen Fällen bestand das Dämmmaterial aus Polystyrol. Die auch landläufig Styropor genannten Platten sind vergleichsweise kostengünstig und leicht zu verarbeiten und bilden daher in rund 80 Prozent der isolierten Gebäude die Grundlage des Wärmedämmverbundsystems (WDVS). Dass Styropor leicht brennt, ist nicht verwunderlich, schließlich wird es aus Erdölprodukten aufgeschäumt. Jedoch müssen dem Dämmmaterial Stoffe zugesetzt werden, die es schwer entflammbar machen. Selbst mit einer Flamme, die viel größer ist als die eines Feuerzeugs, kann man es nicht in Brand stecken. Verursachen aber kräftigere Flammen – etwa aus einem Müllcontainer oder dem Fenster eines brennenden Zimmers – eine anhaltende Hitzezufuhr, dann nutzt auch dieser Brandschutz nichts mehr: Die Styroporfassade schwelt, schmilzt, tropft und brennt großflächig.

Um solche Brände zu verhindern, gelten für mehrgeschossige Mehrfamilienhäuser entsprechende Brandschutzvorschriften. Den wichtigsten Bestandteil bilden dabei sogenannte Brandriegel. Über den Fenstern soll ein Schutzstreifen aus unbrennbarer Mineralwolle gewährleisten, dass die Flammen nicht in die Fassade eindringen können. Eine alternative Möglichkeit ist ein Mineralwollestreifen, der um das ganze Gebäude läuft.

Umlaufende Brandriegel

Dieser umlaufende Brandriegel muss allerdings bei Mehrfamilienhäusern nur nach jedem zweiten Geschoss angebracht werden. Mithin besteht die Möglichkeit, dass sich über einem brennenden Fenster in einem nicht geschützten Zwischenstock die Fassade entzündet. Allerdings sollen sich dann gemäß der Brandschutzphilosophie die Flammen nur bis zum nächsten Brandriegel ausbreiten können. Ein solches Szenario sollte in der Braunschweiger Materialprüfanstalt nachgestellt werden.

Der Versuch fürs Fernsehen habe allerdings nicht den Vorgaben der Norm und der Zulassungsgrundsätze entsprochen, moniert der Fachverband WDVS zusammen mit dem Industrieverband Hartschaum nach einer Analyse des Versuchs. Wegen „völlig anderer Strömungsbedingungen“ sowie weiterer Unzulänglichkeiten in der Fassadengestaltung sei der Versuch nicht auf die Baupraxis übertragbar. Inzwischen wird aber von Bränden berichtet, bei denen die Flammen die vorgeschriebenen Sperren überwunden haben.

Bisher kein Entsorgungskonzept

Einen – wenngleich makaberen – Vorteil hat die Brennbarkeit von Polystyrol immerhin: Man kann die Platten nach Gebrauch energetisch entsorgen, also verbrennen. Bislang kleben die Dämmstoffe wegen ihrer guten Haltbarkeit auch noch bei Häusern auf der Fassade, die schon vor langer Zeit saniert wurden. Daher musste noch kein Verfahren zum Recycling entwickelt werden. Gleichwohl ist absehbar, dass auf das Baugewerbe sowie die Entsorgungswirtschaft beim Abriss wärmegedämmter Häuser ein Problem zukommen wird. Die Dämmplatten werden ja nicht sortenrein beim Verwerter angeliefert, sondern im Verbund: Dämmstoffe, Kleber, Glasgewebe sowie Putz und Farbanstrich. Gerade die beiden äußeren WDVS-Komponenten Putz und Farbe haben es in sich: Sie enthalten Giftstoffe, mit denen das unerwünschte Wachstum von Algen und Pilzen an der Fassade unterbunden oder zumindest gebremst werden soll.

Der gute Wärmeschutz hat nämlich eine Kehrseite: Eine gedämmte Wand kühlt an ihrer Außenseite nachts stärker aus als eine herkömmliche Mauer. Diese kann tagsüber Wärme aufnehmen und sie nachts an die Fassadenbeschichtung abgeben. Bei einer gedämmten Wand fällt diese Wärmezufuhr aus. Auf einer kühleren Wand aber kondensiert mehr Feuchtigkeit, zudem dauert es länger, bis Regen- und Tautropfen verdunsten. So entsteht ein idealer Nährboden für Algen und Schimmelpilze – vor allem auf der Nordseite eines Hauses sowie hinter Bäumen und Sträuchern. Die Folge: es bilden sich unschöne Flecken.

Biozide im Putz

Um die Algen- und Pilzbesiedelung wenigstens über das Ende der Gewährleistungspflicht hinauszuzögern, werden den Putzen und Farben Biozide zugesetzt. Ein solcher Giftstoff ist zum Beispiel das Pflanzengift Terbutryn, das hierzulande nicht als Pflanzenschutzmittel, sondern nur in Dispersionsfarben zugelassen ist. Dieses Gift findet sich in Gewässern – ein deutlicher Hinweis, dass es mit der Zeit aus den Fassaden ausgewaschen wird.

Das Problem ist bekannt: Bereits vor vier Jahren berichtete das schweizerische Wasserforschungsinstitut Eawag, dass vor allem bei frisch verputzen oder gestrichenen Häusern mit den ersten Regengüssen beachtliche Mengen an Bioziden aus der Fassade ausgewaschen werden. Die Giftstoffe landen dann im Boden sowie in den Gewässern. Wird der Anstrich älter, nimmt ihre Konzentration indes rasch ab. Gleichwohl stellen sie in der Umwelt ein Problem dar, auch wenn man noch nicht genau weiß, wie sie – vor allem in Form eines Giftcocktails – auf die Organismen wirken.

Immerhin suchen die Farben- und Putzhersteller nach Wegen, den Einsatz der (teuren) Giftstoffe zu minimieren und die Auswaschung zu bremsen. Bereits heute sind beachtliche Unterschiede zwischen verschiedenen Putzen zu verzeichnen. Und es gibt auch gänzlich giftfreie Materialien – aber die sind leider deutlich teurer. Schließlich kann auch die Architektur einen Beitrag leisten: Früher führten überstehende Dächer dazu, dass bei Regen weite Teile der Fassade mehr oder weniger trocken blieben. Vielleicht könnten in Zukunft auch spezielle Beschichtungen der Fassade helfen, die nach dem Vorbild der Lotusblätter einen Selbstreinigungseffekt haben: Sie könnten sowohl das Anhaften von Schmutzpartikel als auch von Algen und Pilzsporen weitgehend verhindern.