Mit dem Spaß ist’s zum Ende seiner Fastenpredigt vorbei. Eindringlich ruft Christoph Sonntag dazu auf, für Demokratie zu kämpfen. Deren Zerstörer solle man fortjagen. Das Publikum, darunter die Politspitzen des Landes, klatscht noch stärker als bei den Gags.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Auf der Bühne des Puppentheaters steht in dicken Lettern: „Make Politics Great Again“. Statt dem Kasperle und dem Krokodil hampeln in der SWR-Sendung „Das Jüngste Geri(ü)cht“ der Kanzler, die Außenministerin und Co. als Handpuppen herum. Vor ihnen sitzt die politische Elite des Landes, die in Scharen strömt, wenn Kabarettist Christoph Sonntag zur Fastenzeit, das ist die Zeit der Abrechnung, ihnen die Leviten in der Alten Kelter in Fellbach liest. Die Frage aber ist: Kann man mit diesem Personal wirklich die Politik wieder groß machen?

 

Einer, der bei der Fernsehaufzeichnung unter dem Kappelberg (das ist der schwäbische Nockherberg) besonders viel Spott abbekommt, ist Manuel Hagel, der 35-jährige Landesvorsitzende der CDU. Hinterher sagt der junge Politiker mit den geringen Bekanntheitswerten, er habe oft bei den Späßen über ihn lachen müssen. Dies zeige: Christoph Sonntag sei also gut gewesen.

Der Kabarettist erklärt beispielsweise, warum Hagel nicht das Fass anstechen darf: „Ich hab’ seine Eltern angerufen, die haben das verboten.“ Und in Richtung des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (seine Frau Gerlinde begleitet ihn) sagt Christoph Sonntag: „Das Büble könnt’ ihr Enkel sein.“ Er solle doch mal mit dem Manuel in die Wilhelma gehen und ihm am Ende ein Eis schenken.

Ein gemeinsames Foto von Hagel und Kretschmann jedenfalls gibt es nach der Fastenpredigt nicht, wenn sich nach den Spaßattacken die Bühnenakteure (dabei: Bernd Kohlhepp, Marco Rima, Doris Reichenauer, die Band Erpfenbrass) und die Politiker vor den Kameras postieren. Die SWR-Aufzeichnung, die am Sonntag um 20.15 Uhr ausgestrahlt wird, ist ein Mix aus Bierzelt und politischem Kabarett. Die Alte Kelter ist ausverkauft. Vips sind eingeladen (mit Ausnahme der AfD), „normale“ Besucher zahlen um die 55 Euro (inklusive Vesper und Getränke).

Kretschmann kommt glimpflich davon

Was jedes Jahr zu beobachten ist, gilt auch diesmal: Ministerpräsident Kretschmann kommt beim Derblecken auf Schwäbisch glimpflich davon. Man spürt: Christoph Sonntag mag ihn. Der Regierungschef, die Lichtgestalt von Baden-Württemberg, muss allenfalls ertragen, dass ihn der Fastenprediger mit dem Senior eines mittelständischen Unternehmens vergleicht, der meine, er habe in seinem Leben genug g’schafft und lasse es nun ruhig angehen.

Der angekündigte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat wegen Krankheit kurzfristig abgesagt. Wird er Nachfolger von Kretschmann, sollte dieser mal gegen 2025 abtreten? Weil Liebe durch den Magen geht, erklärt es Sonntag so: Özdemir sei so was wie „ein geschmälzter Döner mit Kartoffelsalat“ und im Erfolgsfall das beste Beispiel dafür, dass Resozialisierung nach seiner Flugmeilen-Affären in Baden-Württemberg möglich sei.

Dass die Entwicklung zur Künstlichen Intelligenz geht, überrascht Christoph Sonntag nicht: „Die natürliche Intelligenz nimmt auf unserer Welt der Kriege und Krisen immer weiter ab.“ Der 61-Jährige lebt davon, sich über die Fehler der anderen lustig machen zu können. Deshalb trifft es auch den SWR, der in der „Landesschau“ über die neue Frau des Kabarettisten berichtete und ausgerechnet das Foto seiner Ex zeigte, mit der einen Rosenkrieg führt. In der Sendung hört man auch Witze, die politisch nicht korrekt sind. Wie man einen dicken Veganer nenne, fragt Christian Lindner als Puppe und gibt folgende Antwort: „eine Biotonne“.

Aus Tübingen ist OB Boris Palmer angereist, dem laut Sonntag bescheinigt werde, dass er nach seiner Auszeit entspannter wirke. Wenn auch Stuttgarts OB Frank Nopper mal zu einer Auszeit bereit sei, hätte er am Ende das Zeug zum Präsidenten der Vereinigten Saaten, mutmaßt der Kabarettist. Ehefrau Gudrun Nopper habe deshalb bereits zur PK in den Fellbacher Schwabenlandtower gebeten. Außerdem gesehen: SWR-Intendant Kai Gniffke, Unternehmer Hans Peter Stihl.

„Kampf gegen die Feinde der Demokratie“

Es wird viel gelacht. Manche Gäste sagen, Sonntag sei schon lange nicht mehr so gut gewesen. Am Ende der Fastenpredigt schießt sich Bruder Christophorus dann richtig auf die „Feinde der Demokratie“ ein. Kaum hat er den Witz gemacht, dass die Ampel weiterhin in Berlin regieren müsse, denn wenn eine Ampel ausfalle, dann gelte rechts vor links, da wird seine Stimme immer lauter und wütender. Auch wenn die Politiker der Alt-Parteien oft Fehler machten, seien sie noch „tausendmal besser als die Dumpfbacken von rechts“. Jetzt gelte es, dass sich alle daran beteiligten, den „Zerstörern der Demokratie“ den Kampf anzusagen. Darauf folgt der stärkste Beifall des Tages.