Ein ausgeglichener Kader, ein ausgleichender Trainer – beim Rekordmeister FC Bayern München scheint die Balance zu stimmen.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

München - Wann immer es heißt, dass die Atmosphäre beim FC Bayern vor der Saison besonders gut sei, werden einzelne Beobachter hellhörig. Gute Stimmung herrschte vor der Saison schließlich auch unter Jürgen Klinsmann. "Das alles", sagte Uli Hoeneß damals, "schießt natürlich noch keine Tore." Und wie recht der Bayern-Chef doch behalten sollte. Jetzt aber hat der FC Bayern erstmal Tore geschossen und 3:0 im Pokal bei Eintracht Braunschweig gewonnen. Und der Trainer heißt Jupp Heynckes, sicher keine schlechten Voraussetzungen.

 

Ohne Jürgen Klinsmanns Scheitern wäre Jupp Heynckes wahrscheinlich nicht mehr an den Rand des Fußballplatzes zurückgekehrt, was er vor zwei Jahren zunächst als Aushilfe in München riskierte, um alsbald wieder aufs Karussell der Trainer zu springen; erst in Leverkusen und jetzt eben doch wieder in Bayern: zwei Jahre mindestens, Verlängerung nicht ausgeschlossen. Jupp Heynckes, so schaut es aus, stellt momentan so etwas wie ein lebendes Pflaster dar, und man hofft, dass sich die Wunde van Gaal darunter so schnell wie möglich schließt. Dessen Egozentrik ist Heynckes wesensfremd, und eben dies wird dem Verein gut tun, dessen gefühltes erstes Statut vorsieht, dass es zuerst um den FC Bayern und dann erst um dessen Angestellte geht.

Ballbesitz ist kein Fetisch an sich

Wie loyal er dieses Mantra verinnerlicht hat und wie frei er gleichzeitig damit umgeht, hat Heynckes bewiesen, als er den in der letzten Saison lange verletzten Kroaten Ivica Olic während einiger Testspiele als Kapitän auflaufen ließ: Er stärkte mithin Olic' leicht verschütt gegangenes Selbstbewusstsein und riskiert gleichzeitig am Ende nicht direkten Ärger, wenn dann doch Arjen Robben aufläuft, an dem, sofern gesund, auf der rechten Bayern-Seite nun mal kein Weg vorbeiführt. Dessen bisheriger Abwehrpartner, Philipp Lahm, spielt unter Heynckes nun wieder (mit Ribéry) links, während der von Genua gekaufte Ex-Schalker Rafinha rechts die Viererkette stabilisieren helfen soll, Bayerns Schwachstelle in der letzten Saison.

Rafinhas Nebenmann ist der von Manchester City verpflichtete Jérîme Boateng, was Heynckes zusammen mit den anderen Neuerwerbungen in die Lage versetzt, nicht nur nach einem Schema spielen zu müssen. Klassische Varianten des 4-4-2 oder 4-3-3 hat Heynckes auch in Leverkusen immer wieder probiert. Generell ist er davon überzeugt, dass Spiele in der Abwehr gewonnen werden und vorne stets Flexibilität greifen muss. Ballbesitz ist ihm kein Fetisch an sich. Der FC Bayern muss sich wieder auf mehr Rotation einstellen.

Manuel Neuer muss sich erst noch beweisen

Auch deswegen hat Heynckes vor allem Spielern, die sich innerhalb des edlen Gefüges erst einmal als vermeintlichen Ersatz sehen, immer wieder Mut gemacht, namentlich Toni Kroos. Nach dem Scheitern der Verhandlungen mit dem Heynckes-Liebling Arturo Vidal (nunmehr Juventus), könnte auf Kroos mindestens eine ausbaufähige Jokerrolle im Mittelfeld zukommen. In einem Punkt jedoch dürfte die Atmosphäre schon noch besser sein. Der bisher bewusst von größeren Fanansammlungen ferngehaltene neue Torwart Manuel Neuer (laut Sportdirektor Christian Nerlinger "der Königstransfer") wird sich schon eine Weile lang ordentlich krummlegen müssen, bis nicht nur die Münchner Ultras zumindest vom Kopf her vergessen haben, wo Neuer herkommt. Womöglich reichen aber auch ein paar entscheidende Paraden während der Mitte August anstehenden Qualifikation für die Champions-League, die Bayern nicht nur finanziell fest eingerechnet hat.

Neben den "normalen Ansprüchen" des Clubs, die Philipp Lahm ganz klar als "Meistertitel plus Pokalsieg" definiert, gibt es insgeheim schon noch das Wunschziel, im nächsten Mai in der Münchner Arena beim europäischen Endspiel der Clubmannschaften aufzulaufen. Man wird dann womöglich nicht ausschließen können, dass der Gegner FC Barcelona heißt, der sich im Rahmen eines Sponsorencups Ende Juli schon einmal in München-Fröttmaning hat sehen lassen. Ohne sich allzu sehr zu verausgaben siegten die Katalanen mit 2:0. Allerdings stand längst nicht alles Geld auf dem Platz, das der FC Bayern zur Verstärkung vor dieser Saison investiert hat: über 40 Millionen Euro, das ist ein Drittel der gesamten Ligaausgaben.

Der Trainer

Viele Worte über Jupp Heynckes zu verlieren, hieße Fußballeulen nach Mönchengladbach-Holt zu tragen, wo der just am Ende des Zweiten Weltkriegs geborene Heynckes zuerst bei Grün-Weiß die Stiefel geschnürt hat. Bis auf einen kurzen Ausreißer nach Hannover blieb er später Borussia Mönchengladbach treu. Überhaupt bleibt Anhänglichkeit ein Wesenszug auch des Trainers Heynckes, der gleich zweimal jahrelang sowohl Mönchengladbach wie auch Bilbao trainiert hat. Höchsten Erfolg indes heimst er mit Real Madrid in der Champions League ein. Unglücklich endeten seine Engagements in Frankfurt sowie auf Schalke, wo er auch erstaunt war, dass man zum Essen keinen Wein trank. Heynckes ist bekennender Fan des deutschen Schäferhundes.