Nach dem Debakel bei der Bundestagswahl von 2013 hat der neue Parteichef Christian Lindner die FDP neu aufgestellt. Bisher mit Erfolg. Die Rückkehr in den Bundestag 2017 ist aber nicht ausgemacht, analysiert unser Autor.

Berlin - Lange war Rainer Maria Rilke ein treuer Begleiter der Liberalen. „Wer spricht von Siegen? Überstehn ist alles“, hat Rilke gedichtet. Und so war es auch bei der FDP. Sie eilte von Wahlniederlage zu Wahlniederlage und schaffte bei der Bundestagswahl 2013 selbst das „Überstehn“ nicht: Erstmals seit 1949 verfehlte sie den Sprung in den Bundestag. Doch inzwischen erzielen die Liberalen immerhin Etappensiege. So haben sie bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg und Rheinland-Pfalz gute Ergebnisse eingefahren. Dem Magdeburger Landtag gehören sie zwar weiter nicht an. Doch fehlten bei der Sachsen-Anhalt-Wahl am 13. März nur 0,1 Prozent – das entspricht gerade mal 1579 Stimmen – zum Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde.

 

Die FDP, keine Frage, ist wieder da. Und Christian Lindner obenauf. Sein Ansatz, nach dem Debakel vom Herbst 2013 die Mitglieder zu befragen, wofür die Partei stehen soll, und populistischen Schnellschüssen beispielsweise beim Euro zu entsagen, hat sich bewährt. „Der tiefe Fall“, sagt ein Vorstandsmitglied, „hat uns geläutert. Wir haben Demut gelernt.“ Was 2013 schier unmöglich schien, ist heute durchaus realistisch: der Wiedereinzug in den Bundestag, was fraglos Lindners wichtigstes Vorhaben ist.

Schroffe Worte für Merkels Flüchtlingspolitik

Dabei wandelt der Vorsitzende jedoch auf einem schmalen Grat. Dass er Schwarz-Rot eine verfehlte Wirtschaftspolitik vorwirft, passt zwar bestens ins klassisch-liberale Profil. Die Bremsspuren der Wirtschaft, sagt er, „sind Folgen einer Politik, die nur verteilt hat, aber keinen Gedanken an das Erwirtschaften des Wohlstands verschwendet.“ Doch zugleich rügt Lindner in auffallend schroffen Worten die Flüchtlingspolitik Angela Merkels.

Dahinter steht auch das Kalkül, der AfD Wähler abspenstig zu machen. „Ich will“, sagt Lindner, „ einen Keil zwischen die Partei (gemeint ist die AfD) und ihre Wähler treiben.“ Wer aber – und sei es nur verbal – den Eindruck zulässt, dass er selbst recht populistisch argumentiert, läuft Gefahr, einen Keil zwischen sich und die Teile der Wählerschaft zu treiben, die Merkel nach wie vor unterstützen, Plattitüden in der Flüchtlingsfrage aber gar nicht schätzen. Das sind just die durchaus zahlreichen Wähler, die Winfried Kretschmann bei der baden-württembergischen Landtagswahl mit seinem Ja zu Merkels Haltung für sich gewann.

Bis 2017 kann noch viel schiefgehen

Noch gelingt Lindner also nicht, was er eigentlich will: die Liberalen als moderne, grundsolide Kraft der wirtschaftlichen Vernunft zu profilieren, die sich vor allem dem massiven Wandel stellt, den die Digitalisierung auslöst. Es seien eben, sagt, ein Insider, auch Unsicherheit und Nervosität im Spiel. Und die trügen dazu bei, dass sich der Chef zuweilen abkapsele und interne Kritik recht rüde abbürste.

In Parteikreisen wird auch vermerkt, dass Marco Buschmann, der Bundesgeschäftsführer und Lindner-Vertraute, kein Talent für motivierende Führung habe. Die Nervosität rührt fraglos daher, dass auf dem Weg zum überragenden Ziel – dem Wiedereinzug in den Bundestag – noch viel schief gehen kann. Oder, um im Rilke-Wort zu bleiben: Das Schlimmste mögen die Liberalen überstanden haben. Der Sieg bei der Bundestagswahl 2017 ist aber längst nicht ausgemacht.