Inhaltlich und intellektuell gingen die Debattenbeiträge der letzten Zeit - sofern man die Äußerungen der Familienministerin oder die Horrorvisionen der Herren Meinungsführer so nennen will - fast immer an der Sache vorbei. Das politische Klima beeinflussen sie dennoch. Wiederholt wurde und wird klar, dass der Feminismus - per definitionem eine "Bewegung des Denkens und Handelns mit dem Ziel der Überwindung von Geschlechterhierarchien und Geschlechterstereotypen" (so die Politologin Ingrid Kurz-Scherf) - immer noch Gegner aus dem gesamten politischen Spektrum hat.

Darum schnell noch einmal ein paar Zahlen und Fakten zur Erinnerung: Frauen, so schrieb Meredith Haaf in der "Zeit" 2008, haben heutzutage die gleichen Bildungschancen wie Männer. Ihre Benachteiligung registrieren sie erst, wenn sie ihren ersten Gehaltsscheck in Empfang nehmen. Und das liegt nicht daran, dass die Dummerchen allesamt Germanistik studieren, womit man eben weniger Geld verdient als mit Elektrotechnik, wie Kristina Schröder im "Spiegel"-Interview meint. Bis zu 500 Euro weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen etwa Berufseinsteigerinnen mit einem BWL-Studium. Der durchschnittliche Gehaltsunterschied liegt bei zwanzig Prozent. Kinder bedeuten für Frauen nach wie vor einen Karriereknick. Mit dem dreißigsten Lebensjahr wechselt fast jede zweite in Teilzeitarbeit, häufig dem Nachwuchs zuliebe. Den wenigsten gelingt nach einem Wiedereinstieg der berufliche Aufstieg. Frauen in Führungspositionen oder Aufsichtsräten der großen Unternehmen kann man bekanntlich mit der Lupe suchen.

Nur auf dem Papier sind Männer und Frauen gleichberechtigt


Kommt auf der Ebene der Rollenbilder die frauenverachtende Pornografisierung der Werbung und Medien hinzu. Kein Tag vergeht ohne nackte Frauen auf Seite eins der "Bild"-Zeitung, kein Musikclip ohne halb nackte Mädchen, die sich als Schlampen inszenieren und glauben, dass sie selbstbestimmt und subversiv über ihre Körperpräsentation entscheiden. Irrtum! "Die Katzenberger ist ein Tittenstar", empörte sich der "Bild"-Kolumnist Franz Josef Wagner, nachdem der SPD-Chef Sigmar Gabriel die Frau des Verteidigungsministers und das von "Bild" sonst gern hergezeigte Sexsymbol bei Gelegenheit der Afghanistanreise der Guttenbergs in einem Atemzug genannt hatte. Sind wir jetzt wieder bei der Sortierung nach Huren und Heiligen wie anno dunnemals?

Und was ist aus der Befreiung von patriarchalen Weiblichkeitsklischees geworden, gegen die unsere Mütter in Latzhosen und Schlabberröcken aufbegehrten? Ein dämliches Schönheitsideal, das, so spottet die Journalistin Annett Gröschner, an die EU-Norm für Gurken erinnert: frisch, nicht zu krumm, bestimmtes Gewicht (Gurken wurden von der Vorschrift inzwischen befreit).

Blicken wir den Tatsachen ins Auge: Auf dem Papier sind Männer und Frauen gleichberechtigt, in der Realität nicht. Das Land braucht darum wieder mehr Feminismus. Denn mit der Gleichberechtigung verhält es sich wie mit der Demokratie: Man hat sie nie sicher in der Tasche. Sie ist ein kostbares, gefährdetes Gut, das leicht verloren geht, wenn man sich nicht immer wieder und gegen alle Rückschläge und Hindernisse dafür einsetzt. Hinter das Erreichte zurückzufallen, darf eine moderne, aufgeklärte Gesellschaft sich nicht leisten. Leitkulturell kann sie sonst einpacken.