Ein extravaganter „Tatort“-Stoff wie der preisgekrönte Film „Im Schmerz geboren“ wäre der Redaktion wahrscheinlich nie angeboten worden, das sei ihr auch von Produzenten bestätigt worden. Deshalb betrachtet Jessen ihre Festanstellung als „Verpflichtung zum inhaltlichen Mut, niemand wird entlassen, weil er wilde Ideen hat, aber ein Produzent mit wilden Ideen hat es schwer am Markt“.

 

Ein wesentlicher Punkt bei der Diskussion über Eigen- und Auftragsproduktionen ist das Geld. Ein echter Kostenvergleich ist schwierig, weil die festangestellten Mitarbeiter nicht nur für die Fernsehfilmredaktion arbeiten. Konkret beziffern lassen sich daher nur die direkten Kosten, also Gagen, Mieten, Material, Bauten, der Rest sind Ausgaben für das angestellte Personal und somit indirekte Kosten. Außerdem ist die Herstellung eines Films in Berlin wegen der großen Konkurrenz bei den Produktionsfirmen preiswerter als etwa in Köln, wo die Unternehmen ausgelastet sind.

Auf die Signale kommt es an

Trotzdem gibt es beim WDR kaum noch szenische Eigenproduktionen; der Dauerbrenner „Lindenstraße“ ist eine letzte Erinnerung an die große Tradition des Senders. Die Serie funktioniere arbeitsteilig, erläutert Gebhard Henke, Leiter der Abteilung Fernsehfilm und Unterhaltung: „Der Produzent gibt einen kreativen Input, entwickelt mit der Redaktion die Bücher, engagiert Autor, Regisseur und Schauspieler; Kamera, Licht und Studio gehören hingegen dem WDR.“

Henke widerspricht auch Jessens Aussage, es würden keine innovativen Stoffe angeboten: „Das ist mir zu pauschal und ideologisch. Es kommt doch immer darauf an, welche Signale ein Sender in die Branche gibt. Die besondere Handschrift der HR-Filme ist untrennbar mit Liane Jessen verbunden und nicht nur mit der Produktionsform.“ Er ist ohnehin überzeugt, dass man es den ARD-Filmen nicht ansehe, ob sie als Auftrags- oder Eigenproduktion entstanden seien: „Die Produzenten sind ein kreativer, lebendiger Motor unserer Fernsehfilme und Serien. Davon profitieren wir alle, auch von der Vielfalt und der speziellen Handschrift, mit der ein Produzent ein Produkt prägt. Deshalb betrachte ich die Lebendigkeit der Produktionslandschaft als großen Reichtum. Der Produzent ist nicht der Feind des Senders, im Gegenteil.“