Die Verhaftungen der sieben hochrangigen Fifa-Funktionäre wegen Korruptionsverdachts sind ein starkes Signal, kommentiert Tobias Schall. Der mächtige Verband wirkt endlich nicht mehr unantastbar.

Stuttgart - Das Schauspiel erinnert ein wenig an eine Episode der Mafia-Serie „Die Sopranos“: In dem TV-Hit aus den USA gibt es eine Folge, in der das FBI als Hochzeitscrasher bei den Feierlichkeiten Partygäste festnimmt. In Zürich war die Polizei am Mittwochmorgen der Kongresscrasher: In der Schweizer Metropole hat sich die ehrenwerte Fußball-Familie versammelt, um am Freitag Sepp Blatter, 79, feierlich als ihren Paten zu bestätigen. Wann sind schon mal alle Verdächtigen auf einem Haufen? Eben. Es war eine perfekte Gelegenheit für die Schweizer Ermittler, auf Bitten des FBI zum Schlag gegen den Fußball-Weltverband Fifa auszuholen. Und die Außenwirkung einer solchen Aktion auf dieser Bühne war sicher auch ein angenehmer Nebeneffekt.

 

Das Signal, das von Zürich ausgeht, ist eindeutig und überfällig: die an grenzenloser Hybris leidende Fifa kann sich doch nicht alles erlauben. Mancher glaubte das wohl. Die Funktionäre wurden in diesem Denken bestärkt durch Politiker, die trotz aller Skandale die Fifa weiter hofierten und Sepp Blatter in Deutschland 2006 mit dem Bundesverdienstkreuz auszeichneten. Sie haben sich aber getäuscht. Die Fifa ist antastbar. Endlich müssen sich Funktionäre vor staatlichen Institutionen erklären und werden je nach Faktenlage strafrechtlich zur Rechenschaft gezogen. Dieser Mittwoch war ein schlechter Tag für die Fifa – und ein guter Tag für den Fußball.

Vielleicht gibt es jetzt auch endlich einen Aufschrei

Die Liste der Anschuldigungen gegen die Verhafteten, darunter gleich zwei Fifa-Vizepräsidenten, ist lang. Betrug, Erpressung, Geldwäsche. Zur Erinnerung: wir reden hier nicht über einen Ableger der Mafia, sondern über einen Sportverband. Wobei: der Sport geriert sich gerne als Familie, und gerade die Fifa mit Blatter an der Spitze schwafelt pausenlos von einer Familie, die ihre Probleme in der Familie löst. Das klingt nicht nur nach „Sopranos“ oder dem Mafia-Epos „Der Pate“: die aktuellen Verhaftungen verfestigen den Eindruck von organisiertem Verbrechen bei der Fifa unter dem Deckmantel des Fußballs.

Vielleicht ist dies erst der Anfang, und das System bricht zusammen – was bis zu diesem Mittwoch kaum noch einer für möglich hielt, nachdem die Fifa so viele Skandale überstanden hat. Vielleicht gibt es jetzt auch endlich einen Aufschrei bei Sponsoren und Sendern, die mit ihren Milliarden den Treibstoff für dieses schmierige System liefern und angesichts des begehrtesten Produkts der Welt (Fußball) die Kröte Fifa immer geschluckt und so das System am Leben gehalten haben.

Am Freitag soll Blatter als Präsident bestätigt werden

Manch einer hoffte ja lange, dass angesichts des Ansehens der Fifa, das irgendwo zwischen Atomendlager, Nordkorea und Robbenjäger rangiert, ein Reinigungsprozess innerhalb des Systems beginnt. Aber den gibt es nicht. Nicht in intransparenten Organisationen mit einer gewachsenen Korruptionskultur wie der Fifa. Es gibt keine Mehrheit dafür, den Sumpf schonungslos trockenzulegen, weil viel zu viele von diesem System profitieren. Entsprechend kam die Fifa-Ethikkommission unlängst zu dem Schluss, dass bei den WM-Vergaben an Katar (2022) und Russland (2018) vielleicht nicht alles ganz optimal gelaufen sei, aber es noch im Rahmen war. Nun klären endlich staatliche Behörden diese und andere Fragen. Es ist der einzige Weg, die Fifa, die viele Funktionäre als eine Art EC-Automat missverstanden haben, zu säubern.

Am Freitag soll Blatter als Präsident bestätigt werden, sein Gegenkandidat Prinz al-Hussein ist wohl chancenlos. Die Fifa lässt keinen Zweifel daran, am Zeitplan festzuhalten. Warum auch nicht: Blatter, heißt es bei der Fifa, sei ja nicht verhaftet und habe damit nichts zu tun. Irrtum. Er ist seit 1998 das Oberhaupt dieser ehrenwerten Familie und müsste endlich persönlich die Verantwortung für diesen Augiasstall übernehmen. Mehr denn je benötigt die Fifa einen Neuanfang: ohne ihren Paten.