Die Gymnasiasten können durchschnaufen. Denn heute enden die schriftlichen Abiturprüfungen. Drei Schulleiter von den Fildern erinnern sich, wie sie damals ihre Reifeprüfung hinter sich gebracht haben.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Filder - Peter Otto, der Rektor der Schule für Körperbehinderte, hatte es gut. Denn er gehörte zum ersten Abiturjahrgang am Wirtschaftsgymnasium in Kirchheim/Teck. „Für uns Schüler hatte das viele Vorteile“, sagt Otto, der 1974 seine Reifeprüfung ablegte. Denn keiner habe genau gewusst, wie das mit den Prüfungen eigentlich laufen soll. „Alle waren sehr bemüht, dieses erste Abitur pfleglich und ordentlich und ohne Reinfall über die Bühne zu bekommen“, sagt Otto und ergänzt: „Die Lehrer haben versucht, den Druck rauszunehmen. Wir waren gut behütet.“ Doch freilich sei das Schülerklientel ein anderes gewesen als an einem allgemeinbildenden Gymnasium. „Viele von uns sind nicht den geradlinigen Weg gegangen“, sagt Otto. Er und seine Mitschüler seien sehr lernwillig gewesen und hätten die Zeit am Wirtschaftsgymnasium genossen.

 

Einen Abi-Ball gab es auch, „mit festlichen Reden und schicken Klamotten“. „Doch auch beim Thema Abi-Ball befand sich meine Schule 1974 in einem Versuchsstadium“, sagt Otto. Aber nichtsdestotrotz oder gerade deswegen, sei der Ball etwas ganz Besonderes gewesen. Und auch den Abi-Scherz ließen sich die Schüler – Versuchsstadium hin oder her – nicht entgehen. „Wir haben den Trakt, in dem sich das Lehrerzimmer, das Sekretariat und das Rektorat befanden, mit rund 1000 Luftballons versperrt“, sagt Otto. Dabei steckten die Schüler mit dem Hausmeister unter einer Decke, was die Lehrer nicht wussten. „Gleichzeitig kooperierte der Hausmeister aber auch mit den Lehrern, was wir wiederum nicht wussten“, fügt der Rektor hinzu.

Nüchterne Dokumentenübergabe

Nüchterne Dokumentenübergabe

Bei Barbara Graf ging alles ein bisschen gediegener zu. Die Schulleiterin des Hegel-Gymnasiums hat im Mai 1972 in Großburgwedel bei Hannover ihre Reifeprüfung abgemacht. „Bereits im Vorjahr durften wir damals unser Mathe-Abitur schreiben, was toll war, weil wir dadurch schon einen Vorgeschmack bekamen“, sagt Graf. Der gesamte Jahrgang habe in einer großen Halle in Reih und Glied gesessen und über den Aufgaben gebrütet. Nach dem schriftlichen Abi wurde Graf noch mündlich im Fach Biologie geprüft. „Das hat Spaß gemacht, da ich mich da absolut sicher fühlte“, sagt Graf.

Die Zeugnisübergabe sei eine formlos-nüchterne Dokumentenübergabe gewesen. Der Grund: „Unser Direx hatte kurz vor unserem Abitur eine schlechte Erfahrung gemacht“, erinnert sich Graf. Er sei wegen seiner Reaktion auf eine aus dem Ruder gelaufenen Rock-Veranstaltung in der „Bild“- Zeitung „vorgeführt“ worden. Auch einen Abi-Ball habe es nicht gegeben. Dafür aber jede Menge Abi-Partys, „Eine davon fand bei meinem Vater im Garten statt“, sagt Graf. Ihre Abi-Fahrt führte sie nach Israel. „Dort half ich wie viele deutsche Jugendliche damals unter anderem im Kibbuz bei der Apfelernte.“

Deutschprüfung mit Angina

Deutschprüfung mit Angina

Gerhard Gödrich, der Rektor der Steinbachschule in Büsnau, hat sein Abitur auf dem zweiten Bildungsweg gemacht. Und zwar 1974 am Collegium Ambrosianum in Bad Cannstatt. Es war eine kirchliche Einrichtung speziell für Männer. Die Schüler sollten auf das Theologiestudium vorbereitet werden. „Ich selbst hatte aber nicht vor, Pfarrer zu werden“, sagt Gödrich. Im Gegenteil, ihm schwebte ein Ingenieursstudium vor. Doch ein Lehrer am Collegium habe ihn so beeindruckt, dass auch er diesen Weg einschlagen wollte. „Bis heute ist dieser Lehrer ein guter Freund und ein wichtiger Mensch in meinem Leben“, sagt der Rektor der Steinbachschule.

Die Prüfungen selbst hat Gödrich in guter Erinnerung. Nur das Deutsch-Abi sei hart gewesen. Denn das hat Gödrich mit einer Angina geschrieben. „Aber ich habe es überstanden, und sogar gut überstanden“, sagt der Rektor. Die Zeit am Collegium sei für ihn stressig gewesen. „Wir hatten alle schon eine Berufsausbildung hinter uns und waren es nicht mehr gewöhnt, am Stück zu lernen, also etwas Kognitives zu tun“, sagt Gödrich. Doch gerade weil er und seine Mitschüler schon etwas mehr Lebenserfahrung hatten als die jungen Gymnasiasten, strengten sie sich besonders an. „Wir wussten bereits, worum es geht“, sagt Gödrich. Bevor er sein Abi machte, hatte er Fernmeldetechniker gelernt. „Als der Lauchhau gebaut wurde, habe ich bei der Installation der Telefonleitungen und Anlagen mitgearbeitet. Heute gehört dieses Wohngebiet zum Einzugsgebiet meiner Schule“, sagt der Rektor.