Nach 40 Jahren geben die Goldemanns ihr Lebenswerk auf: ein Gärtnereibetrieb in Filderstadt-Plattenhardt. Wenn die Kunden nun über den Abschied des Paars klagen, dann ist das für die beiden das größe Kompliment.

Filderstadt - Leichtfertig gibt niemand auf, woran ihm ein Berufsleben lang das Herz hängt. Dennoch: Beate und Wolfram Goldemann, Geschäftsführer von Flora Garten & Ambiente an der Plattenhardter Heinrich-Hertz-Straße, verabschieden sich nach 40 Jahren von ihrer Kundschaft und ihrem beruflichen Lebenswerk, das sie in all den Jahren aufgebaut haben. Am 31.Dezember schließen sie ihr Geschäft und geben es an die Gärtnerei-Kette Dehner weiter, die nach dem Umbau am 16. März ihren Betrieb eröffnet.

 

Raus aus der Tretmühle

„Wir sind 72 und 67 Jahre alt, wir kämen sonst niemals aus dieser Tretmühle heraus“, sagt Wolfram Goldemann. Der Entschluss dazu ist den beiden nicht leicht gefallen und auch von der Kundschaft kommt Resonanz: „Wir hören keine Beschimpfungen, aber Klagen, dass wir aufhören, das ist das schönste Kompliment.“

1953 ist der neunjährige Wolfram Goldemann mit seinen Eltern vom sächsischen Leipzig in der DDR in den Westen geflohen. 1972 landete er im Schwäbischen. „Ich bin ein Verbrauchermarktmensch. Seit meinem 18. Lebensjahr war ich in der Planung und Ausführung von Verbrauchermärkten tätig“, erzählt der Großhandelskaufmann.

Kennelernen auf Gran Canaria

Ende der 1960er-Jahre führten er, sein Bruder und ein Architekt eine Wohnbaugesellschaft. „Diese Arbeit war aber nicht mein Ding.“ Beim Verkauf eines Hotels auf Gran Canaria lernte er seine Frau Beate kennen. Gemeinsam kamen sie auf die Idee, ein Gartencenter zu eröffnen: „Gärtnern war schon in meiner Kinderzeit ein Hobby, als ich in Vaters Schrebergarten ein Beet bearbeiten durfte. Vom Verkauf von Pflanzen hatte ich aber keine Ahnung.“ Auch Beate Goldemann, eine aus dem Ruhrgebiet stammende Apothekerin, musste sich ins neue Metier einarbeiten: „Sie ist ein fleißiges Arbeitsbienchen und hat sich hineingekniet.“ Ursprünglich wollten die beiden nach Stetten, fanden aber ein Gewerbe-Grundstück in Plattenhardt.

In Deutschland waren Gartencenter noch Neuland. „Wir haben uns in Frankreich, Belgien und in der Schweiz Anregungen geholt“, sagt Wolfram Goldemann. Derart inspiriert bauten die beiden Unternehmer auf 3500 Quadratmetern ein Gartenparadies mit Baumschule, Zimmerpflanzen, einer Abteilung mit 160 Grillmodellen und vielen Accessoires und Gartenbüchern. Die Präsentation der geballten Botanik nebst Zubehör war damals so neu, dass ein Kunde fragte: „Wann wird die Ausstellung wieder abgebaut?“.

Sabine, die 39-jährige Tochter des Unternehmer-Paars, Kauffrau im Einzelhandel und Floristin, wäre für die Übernahme des Geschäfts geeignet gewesen. „Der können Sie einen Strunk in die Hand geben, und die macht was draus“, schwärmt der Vater. Doch mit der Leitung in zweiter Generation wird es nichts: „Hier muss man mit 500 Prozent dabei sein. Wir müssten mitarbeiten und kämen nicht zur Ruhe.“

Das Wochenende beginnt samstags um 19 Uhr

Auch äußere Faktoren erleichtern die Geschäftsaufgabe. „Die Einkaufspreise steigen, die Lieferanten werden immer teurer, der Kunde will einen immer besseren Service, obwohl immer weniger Menschen im Handel arbeiten wollen. Unser Wochenende beginnt samstags um 19 Uhr. Da sind die anderen schon erholt“, sagt der Geschäftsführer. Auch das Internet dämpft die Arbeitsfreude: „Es geht dabei um Beratungsklau“, sagt Goldemann. Kunden kommen, lassen sich zwei Stunden lang beraten und kaufen dann das Produkt billiger im Internethandel. „Es lohnt sich nicht mehr, Einzelhändler zu sein, wir machen keinen Gewinn mehr. Meinen Porsche finanziere ich mit Mieteinnahmen, aber das glaubt mir niemand.“ Wie auch immer, auf sein schwäbisches Umfeld lässt der Kaufmann nichts kommen: „Wenn du dich als Reingeschmeckter mit einer reingeschmeckten Frau 40 Jahre lang behaupten kannst und anerkannt und respektiert wirst, dann ist dies das höchste Gut, das man unter Schwaben erreichen kann.“