Hitlers Befehl war klar: Paris sollte zum Ruinenfeld werden. Volker Schlöndorff zeigt in seinem filmischen Kammerspiel, wie ein schwedischer Diplomat im August 1944 versucht, die Ausführung des Befehls zu verhindern.

Stuttgart - Die beiden Herren, die da miteinander sprechen, haben einander einiges entgegenzusetzen. Der eine, der schwedische Diplomat Raoul Nordling (André Dussollier) ist alles andere als ein Naivling. Er ist erfahren im Poker mit den Mächtigen, schon den ganzen Weltkrieg über einer der letzten Unabhängigen im besetzten Paris, weder Herrscher noch Beherrscher.

 

Der andere, der deutsche General von Choltitz (Niels Arestrup), ist weder ein tumber Kasernenklotzkopf noch ein verdruckster Etappenstubenkarrierist. Er ist ein intelligenter Mann, aber auch ein Frontoffizier, der den Krieg anders denn als Fähnchengeschiebe auf einer Stabskarte kennengelernt hat.

Trotzdem ist das kein Gespräch auf Augenhöhe, das uns Volker Schlöndorff in „Diplomatie“ zeigt und in dem es im August 1944 um das Schicksal von Paris geht. Paris soll nach Hitlers Willen so gut wie möglich dem Erdboden gleichgemacht werden. Choltitz will gehorchen, Nordling bittet, die Stadt zu verschonen.

Die neue Bedenkenlosigkeit

Aber der eine der beiden hat eben nicht nur die Gewalt über die Zündanlagen und der andere nichts als Worte. Der eine der beiden hat auch die völlige Macht über Freiraum, Wohlbefinden, ja, das Leben des anderen. Die Tage des Dritten Reichs sind gezählt, mit der deutschen Herrschaft über Paris könnte es in ein paar Stunden vorbei sein. Da gelten die Schutzbriefe der Diplomatie nicht viel, da müssen sich die Nazis um schwedische Verstimmungen nicht mehr scheren. Der General könnte den Diplomaten einsperren oder erschießen lassen, und er droht recht offen mit der neuen Bedenkenlosigkeit.

Aber diese Stärke ist auch seine Schwäche, und um solche Ambivalenzen geht es Schlöndorff hier. Wenn die Résistance in ein paar Stunden die Macht haben sollte, dann muss auch Dietrich von Choltitz mit allem rechnen: Tod im Kampf, durch ein Attentat, Gefangennahme – und vor allem letztere Variante verzweigt sich in viele Möglichkeiten.

Duell mit biblischen Zügen

Schlöndorff inszeniert ein Zweier-Dialogspiel, in dem alle anderen weit an den Rand gedrängt werden, ein Duell, das abgekoppelt vom Wissen der Historiker um die realen Figuren Verweise auf die Bibel und Legenden pflegt, wo auch immer wieder Menschen mit Engeln, Teufeln, Göttern um die Schicksale von Völkern und Städten schachern. Weil wir den Ausgang kennen, kann es nicht um diese Art von Spannung gehen: eher um die Faszination, dass es fürs Reden nie zu spät sein könnte.

Diplomatie. Frankreich, Deutschland 2014. Regie: Volker Schlöndorff. Mit Niels Arestrup, André Dussollier, Robert Stadlober, Burghart Klaußner . 84 Minuten. Ab 12 Jahren.