"Black Swan" nimmt den Zuschauer in Traum, Grauen und Selbstparodie mit. Der düstere Horrorton des Films lässt keinen Optimismus aufkommen.

Stuttgart - Wir machen es echt!", sagt der strenge New Yorker Impresario Thomas Leroy (Vincent Cassel) zu seiner "Schwanensee"-Inszenierung. Tatsächlich wird in diesem Film die Grenze zwischen der wohl künstlichsten aller Kunstwelten und der Realität verwischt. Die technisch brillante Primaballerina Nina (Natalie Portman) ist Leroy zu prüde, sie schwebe zwar schön herum als weißer Schwan, aber für den schwarzen Zwilling, also den bösen Teil der Doppelrolle, fehle ihr die Lebenserfahrung, die Sinnlichkeit, der Sex.

Soll also doch Ninas junge, punkige und intrigante Konkurrentin Lily (Mila Kunis) den Part bekommen? Leroy reißt Nina an sich und küsst sie gewaltsam, als sie ihn beißt, grinst er zufrieden: ihre Erweckung und gleichzeitig ihre Reise ins Dunkle haben begonnen.

In Darren Aronofskys "Black Swan" schimmert die Mutter aller Ballettfilme hindurch, Michael Powells und Emeric Pressburgers Film "Die roten Schuhe", in dem ebenfalls Leben und Tanz ineinanderfließen und die Heldin sich am Ende in der Kunst verliert. Auch wenn Ninas Leben nun wie eine Emanzipationsgeschichte wirkt, auch wenn die 28-Jährige versucht, aus ihrem plüschtierbesetzten Jungmädchenzimmer herauszuwachsen und sich der dominanten Mutter (Barbara Hershey) endlich zu entziehen: der düstere Horrorton, den der Regisseur anschlägt, lässt keinen Optimismus aufkommen. Diese Ballettwelt, aufgenommen mit vielen Groß- und Detailaufnahmen, ist zu eng, zu hermetisch abgeschlossen für einen Ausbruch.

Schwarze Romantik, Psychologie, Träume und Symbole: in diesem Film wird alles ineinandergewirbelt und durch ein Spiegelkabinett gejagt. Hat Nina die wüste Nacht, in der sie mit Lily durch die Bars zog und orgiastischen Sex mit ihr hatte, nur halluziniert? Und was da herauswächst aus den selbst beigebrachten Hautritzereien, sind das wirklich Federn? Aronofsky lässt schließlich alle Hemmungen fallen und hetzt seine exzellente Hauptdarstellerin in ein furioses Finale, in dem sich der Tanz das Leben greift und nicht mehr hergibt. Das ist dann so rauschhaft überinszeniert, dass es sich über die Grenze zur Selbstparodie hinausdreht. Aber ja, auch dahin nimmt dieser Film den Zuschauer mit.

Black Swan. USA 2010. Regie: Darren Aronofsky. Mit Natalie Portman, Vincent Cassel, Mila Kunis, Barbara Hershey. 107 Minuten. Ab 16. Cinemaxx Mitte, Metropol, Ufa, OF Corso