Netflix und Amazon haben bei der Berlinale keine Blockbuster an Land ziehen können. Dennoch sollten die Branchensaurier nicht zu früh triumphieren.

Stuttgart - Mit Geld alleine kann man nicht alles kaufen. Manchmal muss man das Versprechen auf noch mehr Profit in der Zukunft drauflegen. Nach diesem System hat dieses Jahr der Filmmarkt der Berlinale funktioniert, auf dem Produzenten ihre neuen Werke an Abnehmer verkaufen, die sie ins Kino und ins Fernsehen bringen. Angereist waren mit dicken Scheckbüchern auch die Einkäufer von Netflix und Amazon. Mit offener Erleichterung, manchmal gar mit Häme wurde dann in der Branche kommentiert, dass Netflix und Amazon für ihre Streamingdienste nicht einmal die Filme bekamen, auf die sie mehr Geld bieten konnten als andere.

 

„Southside with You“ etwa, der Spielfilm über Barack Obamas erstes ernstes Date, ging Netflix durch die Lappen, Amazon konnte sich beim Bieten um Jeff Nichols’ „Loving“ nicht durchsetzen. Nach Lesart der Platzhirsche sind nun also die Bluffer durchschaut, die keinesfalls mehr Publikum, mehr Ruhm und bessere Nachverwertungsmöglichkeiten bieten können als die Etablierten. Diese tun nun so, als hätten sie einen Spuk gebannt.

Schon beim Sundance Festival in den USA hatten die Branchensaurier Mut geschöpft, als Netflix es nicht schaffte, den vieldiskutierten Film „The Birth of a Nation“ von Nate Parker an Land zu ziehen, obwohl die Vorzeigefirma der Video-on-Demand-Sparte mit 20 Millionen Dollar für die Auswertungsrechte zweieinhalb Millionen mehr bot als Fox Searchlight, das den Zuschlag erhielt.

Und eines stimmt: Amazon und Netflix, die das Geschäft mit bewegten Bildern so verändern möchten wie die Welt der Online-Angebote schon ganz andere Branchen aufgemischt hat, dürften sich düpiert fühlen. Fragt sich nur, ob sich die Filmproduzenten gerade selbst schaden und die Chance zur Anpassung verstreichen lassen.

Ein veritabler Boykott

Gern behauptet wurde anlässlich der Sundance-Abschlüsse, Netflix habe sich als unfähig erwiesen, den von Kritikern geliebten Film „Beasts of no Nation“ von Cary Fukunaga angemessen im Kino auszuwerten. Genauso gern verschwiegen wurde, dass „Beasts of no Nation“ nicht der Unfähigkeit von Netflix zum Opfer gefallen ist, sondern einem veritablen Boykott. Amerikas Kinobetreiber wollten dem Internet-Emporkömmling erst gar keine Plattform bieten.

Die Genugtuung über das Abblitzen von Netflix und Amazon auf den Filmmärkten geht von der Annahme aus, große Kinoproduktionen seien und blieben die Schlüsselangebote für den Erfolg eines Streamingdienstes. Doch Filme sind vielleicht jetzt schon bloß noch der Beifang der Klientel, die ein Abo mit einem der Dienste abschließt. Ist von Netflix und Amazon die Rede, geht es um Serien, Serien und nochmals Serien, um „House of Cards“ und „Daredevil“, um „The Man in the High Castle“ und „Mozart in the Jungle“. Auch der Bezahlsender HBO hat gerade angekündigt, seinen sowieso schon beachtlichen Ausstoß an eigenen Serien künftig zu verdoppeln.

Sollten Netflix und Amazon beim Ankauf interessanter Filme regelmäßig scheitern, werden sie nicht wegknicken. Sie werden noch forscher den Medienwandel vorantreiben, noch aggressiver als bisher Serien in den Fokus nehmen. Wenn sie Filme als Vergnügen zweiter Wahl darstellen, werden sie langfristig dem Kino schaden.

Der lange Spielfilm war nicht immer der Alleinherrscher auf der Leinwand. Die frühen Stummfilme waren kurz. Kinobetreiber stellten aus ihnen selbst Programme zusammen. Dann folgte der gemischte Kinoabend mit Kurzfilmen, Cartoons, Wochenschauen, Musikclips, Fortsetzungsserien sowie einem Spielfilm. Dieser hat sich dann durchgesetzt, aber auch lange Regentschaften können an ihr Ende kommen. Schlauer und mutiger als viele Großfilme sind die besseren Serien schon jetzt.