Winfried Kretschmann und Nils Schmid regen eine Landtagsdebatte über den Kassensturz an, dem sie das Prädikat ehrlich zuschreiben wollen.

Stuttgart - Finanziell startet die grün-rote Landesregierung nicht schlecht. Nils Schmid (SPD), der neue Minister für Finanzen und Wirtschaft, konnte am Dienstag nochmals darauf verweisen, dass die jüngste Steuerschätzung dem Land wohl 1,015 Milliarden Euro mehr in die Kasse bringt als noch im Februar angenommen. Der nüchterne Schmid wurde bei seinem ersten Auftritt als Finanzminister seinem Ruf gerecht: "Die Steuerschätzung ist kein Anlass für virtuelle Wunschkonzerte", mahnte er. Das Geld werde für die Haushaltskonsolidierung verwendet. Gewohnt realistisch räumte Schmid auch ein, für die verbesserte konjunkturelle Lage "können wir als Landesregierung wenig bis gar nichts".

 

Auch dem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) liegt daran, als Erstes die von der schwarz-gelben Vorgängerregierung übernommenen Deckungslücken im Haushalt zu schließen. Wie in der Koalitionsvereinbarung bereits angekündigt, planen Kretschmann und Schmid einen Kassensturz, dem sie das Prädikat ehrlich zuschreiben wollen. Der Vorsitzende der FDP-Fraktion Hans-Ulrich Rülke kritisierte, dass sich die Regierung "drücke", für 2011 konkrete Ziele zur Haushaltskonsoldierung zu nennen.

Schmid sieht das Land finanzpolitisch in einem tiefen Loch

Schmid sagte, Mitte Juli wolle man Klarheit über die wahre finanzielle Situation des Südwestens haben. Er sieht das Land finanzpolitisch in einem tiefen Loch. Zwischen Einnahmen und Ausgaben klaffe eine Lücke von drei Milliarden Euro, die zu erwartenden Mehreinnahmen aus der Mai-Steuerschätzung würden also bei Weitem nicht reichen, um diese Lücke zu schließen, betonte der Minister. Die neue Landesregierung will in den "ehrlichen Kassensturz" auch versteckte Schulden einrechnen. Kretschmann nannte den "enormen Sanierungsrückstau" bei Hochschulen, im Krankenhauswesen und bei den Landesstraßen. Hier will die Regierung gegensteuern. "Wir können nicht weiter diesen dramatischen Vermögensverzehr zulassen", sagte Kretschmann. Auch Lücken in der mittelfristigen Finanzplanung sollen in dem "ungeschminkten Bild über die Landesfinanzen" aufscheinen, sagte Schmid. Verdeckte Lasten wie die künftigen Pensionsverpflichtungen müssten ebenso in den Kassensturz aufgenommen werden wie der Schuldenstand zum ersten Quartal des Jahres 2011.

Getreu ihrem Versprechen, das Regierungshandeln transparent zu gestalten, wollen Grüne und SPD das Ergebnis ihres Nachrechnens in geeigneter Form dem Landtag zukommen lassen. Das könne in einer Regierungserklärung geschehen. Man könne aber den Bericht auch den Abgeordneten förmlich zuleiten, so Kretschmann. Das Parlament solle auf jeden Fall die Möglichkeit bekommen über die Finanzlage zu debattieren. Sollte sich das Verfahren bewähren, will Schmid über eine regelmäßige Bilanz nachdenken.

Nach dem Kassensturz im Juli soll noch vor der Sommerpause des Parlaments der nächste Nachtragshaushalt verabschiedet werden, kündigte Schmid an.

Unerwartet hohe Steuereinnahmen flicken Löcher im Etat

Konsolidierung: Die zu erwartenden Steuermehreinnahmen liegen bei etwa 3,9 Milliarden Euro netto. Sie sollen bis 2014 vorrangig zur Haushaltskonsolidierung verwendet werden.

Ausblick: Allein in diesem Jahr gehen die Schätzer für Baden-Württemberg von einem Plus von einer Milliarde Euro im Vergleich zum dritten Nachtragshaushalt aus. Im nächsten Jahr sollen nochmals knapp 1,1 Milliarden Euro hinzukommen. Für 2013 wird mit 950 Millionen Euro mehr gerechnet und für 2014 mit 783 Millionen Euro.