Die derzeitigen Proteste entbehren nicht einer gewissen Ironie - zumal sie sich gegen die linke Regierungspartei Syriza richten. In früheren Jahren war es fast immer eben diese Syriza, damals noch als kleine Oppositionspartei, die selbst zu Demonstrationen gegen jegliche Art von Kürzungen aufrief. Vor allem das Versprechen, die Sparmaßnahmen vorheriger Regierungen rückgängig zu machen, hatte Alexis Tsipras zum Ministerpräsidenten gemacht. Dass ausgerechnet er und seine Mitstreiter es nun sind, die diese Reform durchsetzen müssen, stellt auch die Partei vor eine Zerreißprobe.

 

Die Mehrheit im Parlament ist hauchdünn - Tsipras Koalition verfügt nur über 153 der 300 Sitze. Wirtschaftsexperten warnen daher vor neuen Turbulenzen in der griechischen Krise. „Bisher haben diese Proteste nicht den Zusammenhalt der Regierung bedroht, aber das wird nicht immer so sein“, sagt Megan Greene, Chefökonomin des Finanzdienstleisters Manulife Asset Management. „Die Regierung von Tsipras hat nur wenig Gestaltungsspielraum.“

Nach Ansicht des früheren griechischen Arbeitsministers Tassos Giannitsis, der vor 15 Jahren mit großen Reformplänen am Widerstand der Gewerkschaften scheiterte, hat gerade das aufgeblähte Rentensystem ganz wesentlich zum Ausbruch der Finanzkrise des Landes beigetragen. So lange es darum gehe, weitere Rentenkürzungen zu verhindern, würden die Belastungen für die arbeitende Bevölkerung steigen, sagte er kürzlich bei einer Podiumsdiskussion. Gleichzeitig werde der jungen Generation jede Sicherheit dahingehend genommen, künftig einmal selbst eine Rente zu erhalten.