Ein größerer Rettungsschirm könnte kurzfristig helfen, würde aber langfristig Probleme bereiten, sagt der Ökonom Oliver Holtemöller.

Professor Holtemöller, Italien ist in den vergangenen Tagen von den Finanzmärkten angeschossen worden. Überrascht Sie das?

 

Es ist klar gewesen, dass Italien zu den Ländern mit einer problematischen Finanzlage gehört. Aber dass es gerade jetzt diese Entwicklung gibt, hat mich überrascht. Das Problem ist, dass Europa immer noch keine vernünftigen institutionellen Regeln für den Umgang mit öffentlichen Schuldenkrisen hat, was Anlass zu weiteren Spekulationen gibt.

Was sind denn die Probleme Italiens?

Italien steht viel besser da als Griechenland oder Portugal. Die Schuldenquote ist aber immerhin fast doppelt so hoch, wie es nach dem Vertrag von Maastricht erlaubt ist. Jedoch hatte Italien den Boom vor der Krise genutzt, um die Schuldenquote zu reduzieren. Die Dividende aus der Euroeinführung ist also nicht rücksichtslos konsumiert worden, wie dies in Griechenland der Fall war.

Dennoch sind die Zinsen, die Italien zahlen muss, auf Rekordniveau gestiegen. Das dürfte bald Ratingabstufungen mit sich bringen. Könnte dann eine Abwärtsspirale wie in Griechenland beginnen?

Das Land ist weniger angreifbar, unter anderem weil über 50 Prozent seiner Schulden von Italienern gehalten werden. Eine Abwärtsspirale nach dem Muster: höhere Zinsen gefolgt von größeren Finanzierungsproblemen und dadurch wiederum höheren Zinsen, ist natürlich auch hier nicht auszuschließen.

Holtemöller: "Die Summen sind riesig."

Ist es richtig, den Eurorettungsschirm von 750 Milliarden auf 1,5 Billionen Euro zu verdoppeln, wie es die EZB angeblich vorschlägt, um die Aufmerksamkeit von Italien zu lenken?

Italien ist eine andere Hausnummer als die anderen Länder in Schwierigkeiten, da muss man sich tatsächlich fragen, ob es überhaupt gerettet werden könnte. Der bisherige Rettungsfonds wäre in jedem Fall zu klein, wenn es hart auf hart kommt. Ein Aufblähen des Schirms könnte unter anderem zur Folge haben, dass die Bonität Deutschlands in Mitleidenschaft gezogen wird. Denn die Summen, um die es geht, sind riesig. Müssten sie tatsächlich einmal gezahlt werden, wäre das ein heftiger Rückschlag für die Finanzierungsmöglichkeiten des Bundes.

Also ist der Rettungsschirm gefährlich?

Nein, ich habe nichts gegen einen Rettungsschirm an sich, um Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Aber es muss am Ende die Option als glaubwürdige Drohung geben, dass ein Land zahlungsunfähig werden kann.

Warum?

Die Politik denkt beim Rettungsschirm zu wenig über die langfristigen Konsequenzen nach. Kurzfristig könnte der Schirm die Märkte beruhigen. Aber langfristig fällt das Drohpotenzial an die Gläubiger weg, Geld verlieren zu können.

Im dauerhaften Sicherungsmechanismus ESM, der ab 2013 gelten soll, ist aber doch eine Gläubigerbeteiligung vorgesehen.

Da gibt es aber so viele Bedingungen und Einschränkungen, dass es wohl niemals dazu kommen wird.

Prognosen und Analysen sind sein Geschäft

Ökonom Oliver Holtemöller leitet die Abteilung Makroökonomik am Institut für Wirtschaftsforschung Halle. Der 1971 geborene Volkswirt beschäftigt sich mit Wirtschaftsprognosen und der Analyse politischer Entscheidungen auf die Konjunktur. Er arbeitet an den offiziellen Wirtschaftsprognosen der

Bundesregierung mit. mdo