OB Wolfgang Schuster und Stadtkämmerer Michael Föll ziehen bei der Vorlage des Halbjahresberichts zur Finanzlage eine positive Zwischenbilanz.

Stuttgart - Die Landeshauptstadt ist überraschend gut durch die schwere Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen drei Jahre gekommen. Dieses Fazit haben OB Wolfgang Schuster und Stadtkämmerer Michael Föll (beide CDU) am Montag bei der traditionellen Vorlage des Halbjahresberichts zur Finanzlage gezogen. Höhere Einnahmen aus der Gewerbesteuer sowie höhere Zuweisungen des Landes hätten dazu geführt, dass Stuttgart zur Finanzierung seiner Investitionen und Ausgaben bis heute keine Kredite aufnehmen musste. "Wir sind mit Glück und Verstand durch diese Krise gekommen", erklärte der Kämmerer, "mit Verstand hat der Gemeinderat das Sparkonzept beschlossen; Sondereffekte durch einen großen Gewerbesteuerzahler haben uns zusätzliche Einnahmen beschert." Den Namen des Unternehmens wollte Michael Föll aus Gründen des Steuergeheimnisses nicht nennen.

 

Im vergangenen Jahr hat die Stadt 620 Millionen Euro Gewerbesteuer eingenommen, in der Planung war der Kämmerer lediglich von 400 Millionen Euro ausgegangen. Unterm Strich, so betonte Michael Föll am Montag, zeige die Jahresbilanz ein Plus von mehr als 170 Millionen Euro. Die Schulden seien auf rund 60 Millionen Euro gesenkt worden - 103 Euro pro Einwohner. Nehme man die Schulden der städtischen Eigenbetriebe von 370 Millionen Euro hinzu, liege der Schuldenstand je Einwohner bei 714 Euro pro Kopf.

Die Stadt hat noch keine Kredite aufgenommen

Durch die gute Bilanz des Jahres 2010 gewinnt die Landeshauptstadt in einer aktuellen politischen Frage finanziellen Handlungsspielraum: "Wir wollen uns bekanntlich an dem Konsortium beteiligen, das die Wohnungen der LBBW-Immobilien erwirbt", sagte der Kämmerer am Montag. Deshalb werde er dem Gemeinderat vorschlagen, bereits am Donnerstag dieser Woche einen sogenannten Nachtragshaushalt zu genehmigen, in dem rund 150 Millionen Euro für die künftige Trägerschaft der Wohnungen bereitgestellt werden; die Stadt wolle einen Anteil von 25,1 Prozent an dieser Gesellschaft erwerben. In diesem Zusammenhang warnte Föll allerdings vor "falschen Schlussfolgerungen: Wer diese beiden Zahlen zugrunde legt und glaubt, man werde für die LBBW-Wohnungen 600 Millionen Euro bezahlen, der irrt". Es werde, so der Kämmerer, zunächst ein Bieterverfahren geben - im Spätherbst erwarte er dann eine Entscheidung. Noch vor dem Jahresende wolle man die notwendigen Verträge unterzeichnen.

Derweil rechnen der Oberbürgermeister und der Kämmerer auch in diesem Jahr damit, dass die Gewerbesteuer weiter sprudelt. Im Rathaus hofft man auf ein Plus von 184 Millionen Euro - über die geschätzten 400 Millionen Euro hinaus. Insgesamt geht man im Rathaus von einem Plus im laufenden Haushalt über 173 Millionen Euro aus. "Bis heute", so betonte Wolfgang Schuster, "haben wir noch keine Kredite aufgenommen."

Es soll weiterhin gespart werden

Im nächsten Jahr, so die Schätzung von Schuster und Föll, sollen immerhin 520 Millionen Euro an Gewerbestauer in die Stadtkasse fließen, im Jahr 2013 sollen es 560 Millionen Euro sein. Trotzdem haben Schuster und Föll am Montag den Gemeinderat vor überzogenen Ausgaben gewarnt: "Es ist ein Gebot der Vernunft, unsere solide Finanzpolitik weiter fortzusetzen", erklärten beide. Angesicht der notwendigen hohen Investitionen in die Schulsanierung (350 Millionen), in die Kinderbetreuung (30 bis 50 Millionen) sowie in den Ausbau der Ganztagesschulen (30 Millionen) erteilten beide der Forderung, die Grund- und/oder die Gewerbesteuer zu senken, eine klare Absage. Der Haus- und Grundbesitzerverein hatte, wie berichtet, seine Mitglieder dazu aufgefordert, sich gegenüber der Stadt für die Senkung der Grundsteuer einzusetzen.

Für OB Wolfgang Schuster gibt es eine andere Priorität: "Am Beispiel Griechenlands, aber auch an der Finanzpolitik auf Bundesebene, sieht man, wohin es führt, wenn die Schulden unentwegt steigen. Wir hier in Stuttgart wollen den nachwachsenden Generationen aber keine Schulden hinterlassen." Und Michael Föll sagte: "Trotz der guten Entwicklung nach der Finanzkrise kann von einer dauerhaften Entspannung der Haushaltssituation keine Rede sein." Der Gemeinderat stehe im Herbst vor schwierigen Beratungen.

Starkes Echo auf den ersten Bürgerhaushalt

Aktion: Zum ersten Mal in ihrer Geschichte bietet die Stadt den interessierten Bürgern die Möglichkeit, sich im Vorfeld an einem Doppelhaushalt für die kommenden zwei Jahre zu beteiligen. Über das Internet, aber auch schriftlich oder per Telefon können die Bürger Ideen und Forderungen einbringen, wo gespart oder wo investiert werden soll. Die hundert meistgenannten Vorschläge werden dem Rat vorgelegt, der dann darüber entscheidet, wenn kurz vor Weihnachten der Doppelhaushalt für 2012/13 verabschiedet wird. Eine unmittelbare Einflussnahme durch die Bürger verbietet die Gemeindeordnung.

Vorschläge: An der Aktion, die bis zum 29. Juli läuft, haben sich 3000 Bürger mit rund 1000 Vorschlägen beteiligt, insgesamt sind bis Montag 75.000 Stimmen zum Bürgerhaushalt eingegangen. OB Schuster sprach von einem "erfreulichen Echo". Auch nach dem 29. Juli könnten, so Kämmerer Föll, "noch Kommentare zu den Vorschlägen abgegeben werden".

Internet: Informationen zum Bürgerhaushalt und zum Halbjahresbericht gibt es unter www.stuttgart.de sowie unter www.buergerhaushalt-stuttgart.de.