Sindelfingen - Im Sindelfinger Stadtteil Maichingen haben im Mai hunderte Bürger gegen den Bau eines Flüchtlingsheims vor ihrer Haustüre demonstriert. Die Sindelfinger Stadtverwaltung zog nach heftigen Diskussionen die Pläne vorerst zurück. In Esslingen sorgte vor wenigen Tagen der dortige Landrat Heinz Einiger für Aufsehen, als er verkündete, keine Flüchtlinge mehr aufzunehmen, der Kreis sei schon jetzt überlastete. Wie will die Landesregierung mit solchen Protesten umgehen? Hat sie sich doch die Bürgerbeteiligung als eines der wichtigsten Ziele auf die Fahne geschrieben. Dazu nahm die Ministerin vor der Podiumsdiskussion in einem Gespräch mit unserer Zeitung Stellung.

 

Bilkay Öney bleibt gelassen. „Wir müssen die Menschen aufklären und in unserer Entscheidungen miteinbeziehen“, sagt sie. Transparenz sei wichtig. Dazu gehöre auch zu erklären, „dass wir verpflichtet sind, die Flüchtlinge aufzunehmen“ – nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich. Nach einem Schlüssel werden die Asylsuchenden, die in Deutschland ankommen, auf die Bundesländer verteilt. 13 Prozent der Menschen kommen nach Baden-Württemberg, davon finden 3,6 Prozent im Kreis Böblingen eine Unterkunft.

Nicht zu vergleichen sei die momentane Situation mit der vor 20 Jahren, als ausländerfeindliche Anschläge in Mölln, Solingen und anderswo für Angst und Schrecken sorgten. 1993 kamen 440 000 Flüchtlinge nach Deutschland, 2014 rechnet Bilkay Öney mit 200 000. Damals sei Deutschland zudem mit dem schwierigen Einheitsprozess beschäftigt gewesen, der nun vollzogen sei. „Die Deutschen sind viel besser als ihr Ruf“, ist die Ministerin überzeugt und zitiert aus einer aktuellen Forsa-Umfrage. „Danach haben zwei Drittel der Befragten nichts dagegen, wenn in ihrer Nachbarschaft eine Flüchtlingsunterkunft gebaut wird.“ Lediglich bei Ostdeutschen und AfD-Wählern sei die Ablehnung höher.

Zur Sindelfinger Situation kann Bilkay Öney nichts sagen, weil sie die Lage nach eigenen Angaben nicht kennt. „Man muss die Bürger einbeziehen“, betont sie und berichtet lieber von ermutigenden Aktionen im Land. In Meßstetten werde eine weitere Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge im Land eröffnet. Vor einer Bürgerversammlung dort habe sie Drohungen aus dem rechtsradikalen Umfeld erhalten. Mit einem mulmigen Gefühl sei sie nach Meßstetten gefahren. „Doch wir haben dort Zustimmung und eine große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung erlebt. Baden-Württemberg hat die ganze Republik überrascht“, lobt die Ministerin. In Heidelberg habe man kürzlich innerhalb von Stunden eine Notaufnahmestelle eingerichtet, als drei andere Bundesländer erklärt hatten, ihre Aufnahmekapazität sei erschöpft. „Nach zwei Stunden hatten wir 140 freiwillige Helfer vom Roten Kreuz vor Ort.“