Sie machen einen Job, der sie erfüllt und der den Flüchtlingen in Esslingern-Zell eine Abwechslung zur tristen Notunterkunft bietet. Das ehrenamtliche Team des Kulturcafés hat aber mehr als nur ein offenes Ohr für Probleme – es heißt sie willkommen.

Esslingen - Irgendwann waren die 104 Männer plötzlich da. Doch die Flüchtlinge aus Syrien, Gambia und Eritrea machten Irmela Schüle keine Angst. „Wir waren vielmehr neugierig denn besorgt“, sagt sie. Dann kam der Informationsabend der Evangelischen Kirchengemeinde. Wie viele andere Zeller Bürger gingen auch Schüles zum Treffen. Auch 30 der Männer, die bereits in der Sporthalle an der Berufsschule lebten, waren erschienen. Schon dieses erste Aufeinandertreffen empfanden sie als ein „so gutes Miteinander“, dass Irmela Schüle sich sofort lautstark gemeldet hatte, als die Frage aufkam, wer mit anpacken möchte. „Wir hatten vorher nicht geplant, etwas zu machen“, sagt sie, die jetzt mit zahlreichen Ehrenamtlichen jeden Mittwochnachmittag das Kulturcafé im evangelischen Gemeindehaus organisiert.

 

Eigentlich sind sie ein wenig in Zeitdruck, denn schon um Vier, also in einer halben Stunde, kommen die ersten Männer aus der Halle herüber. Noch müssen die Tische mit Blumen und Servietten geschmückt, die Erdnussschüsseln aufgestellt und die Kuchenspenden der fleißigen Bäckerinnen, die seit Monaten Mittwoch für Mittwoch aufs Neue backen, angerichtet werden. Dennoch will Schüle nicht alleine erzählen, was hier seit dem vergangenen September so alles passiert und auf die Beine wurde.

Keine Berührungsängste mit Fremden

Da ist ihr Mann Ferdinand, der Flüchtlinge zu Arztbesuchen begleitet und mittwochs gegen 16 Uhr in der Sporthalle vorbeischaut und ans Café erinnert. Und ihre Freundin Eva Röcker samt Ehemann Klaus-Peter, die die 30 bis 50 Männer jedes Mal aufs Neue willkommen heißen und ein offenes Ohr haben. Die vier kann man getrost als den harten Kern des Kulturcafés bezeichnen, das aber noch viel mehr Helfer zählt. Nahezu den gesamten Nachmittag über tragen sie ein Lächeln auf den Lippen. Vor allem die zwei Frauen verbreiten eine herzliche Stimmung. Irmela Schüle mit ihren 77  und Eva Röcker mit 68 Jahren kennen keine Berührungsängste mit Fremden. Seit sie denken können waren die Häuser der Pfarrerstöchter Anlaufstelle für Flüchtlinge und Bettler, für Obdachlose und Menschen, die jemanden zum Reden brauchten. „Gäste waren immer wichtig“, sagt Schüle.

Mit der Zeit wird es immer voller und lauter im Gemeindehaus. Gegen halb fünf ist es mit vielleicht 30 Flüchtlingen und einigen Zeller Bürgern gut gefüllt, ein Sprachenwirrwarr hallt durch den Raum. Wer zur Tür reinkommt, begrüßt zuallerst die beiden Rentnerinnen. Manche Männer sagen Mami. Das rührt die Frauen. Eva Röcker hat am Muttertag gleich drei Blumensträuße erhalten. Mit Freude erinnert sie sich daran, wennauch es ihr lieber wäre, die Männer geben ihr weniges Geld nicht für sie aus. „Aber ablehnen kann man das nicht, sie sind alle so dankbar“, sagt sie.

Das größte Problem ist die Wohnungssuche

„Es ist eine Arbeit, die uns beschenkt, die uns zufrieden macht. Wir wollen den Flüchtlingen einen Platz bieten, an dem sie Vertrautheit finden“, sagt Schüle. In der beengten Sporthalle, die nicht mehr als eine Notunterkunft ist, sei dies nicht möglich. Dort seien die Männer mit ihren Problemen allein. Im Kulturcafé finden sie Ehrenamtliche, die beim Papierkram helfen und das Behördendeutsch in eine verständliche Sprache bringen. Gerade hat ein Mann die schriftliche Aufforderung erhalten, endlich seinen Asylantrag zu stellen. Er verstand nicht, was man von ihm wollte. Nach einigen Telefonaten hat sich herausgestellt, dass er den Antrag bereits vor drei Monaten gestellt hat. Sie würden viel behördliche Fehler und Überforderung erleben, sagen die Ehrenamtlichen.

Wenn ein Antrag bewilligt wird, bemühen sie sich, bei der Wohnungssuche zu helfen. „Das ist ein großes Problem, denn die Männer müssen raus aus der Unterkunft, sobald sie die Anerkennung haben“, sagt Ferdinand Schüle. Aber Wohnungen gibt es kaum. „Die Flüchtlinge verstehen einfach nicht, dass es so schwer ist und glauben es uns manchmal nicht“, sagt Eva Röcker. Das klar zu machen gehört zu den schwierigsten Aufgaben des Teams, das sich noch Verstärkung wünscht.

Dennoch soll am Mittwochnachmittag Freude herrschen. Vielleicht kommen deshalb seit Beginn an jedes Mal so viele der Flüchtlinge. Irmela Schüle erinnert sich gerne an die Silvesterparty. Da sei ausgelassen gefeiert worden, so als sei alles normal. „Das war mein schönstes Silvester überhaupt“, sagt sie.